Mitten in Possenhofen:Yoga mit Platsch

Wer versucht, Stress auf dem Wasser und einem Brett abzubauen, kann ganz schön in Stress geraten

Von Claudia Wessel

Ein Erdbeben ist nichts dagegen. Der Boden unter den Füßen schwankt, die Beine zittern wie Espenlaub, eine Adrenalinsalve wird im Gehirn abgefeuert, meldet an sämtliche Gliedmaßen: Gefahr im Verzug! Eiskaltes Wasser nur wenige Zentimeter unter dir, die Hände kleben zehn Zentimeter vor den Zehen am Board, halten aber auf unerklärliche Weise noch das Paddel quer fest. Und aus der Ferne, etwa 50 Meter entfernt von irgendwo da draußen auf dem Starnberger See, ertönt die Stimme von Sonnia Höffken: "Aufstehen! Das Yoga machen wir gleich auch im Stehen!"

Eine angsteinflößende Drohung, und das von einer Yogalehrerin! Das hatten wir uns doch alles viel softer vorgestellt, voller Achtsamkeit und so: "Bitte, liebe Yoga-auf-dem-Stand-up-Paddle-Board-Teilnehmerin, versuche doch mal ganz vorsichtig, langsam zum Stehen zu kommen. Om." Stand da nicht schließlich bei der Ankündigung auf dem Schild in der Pullacher Yogalounge "Stressabbau, Balance für Body und Mind, Kraft und Entspannung, Meditation und Inspiration, für jeden leicht zu erlernen, keine Vorkenntnisse erforderlich"?

Ja, wunderschön sollte es werden, das Yoga auf dem See, "allein auf deiner schwimmenden Insel". Und das ist es dann schließlich auch, ein kleines bisschen jedenfalls. Als man endlich tatsächlich auf zwei Füßen auf dem Brett und auf dem See steht, sich mit Hilfe des Paddels vorwärts bewegt, an der Boje einparkt wie die anderen neun Teilnehmer. Als man sich traut, den nach unten schauenden Hund zu machen, und es schafft, zwischen den Beinen durch auf Wasser und Berge zu blicken. Als man im Stehen die Hände vor der Brust zusammen legt und die Augen schließt. Das hätten sogar Momente der Inspiration werden können, wäre da nicht immer wieder das "Platsch" gewesen, wenn wieder jemand ins Wasser fiel. So wie die Lehrerin, die von ihrer Brett-Nachbarin aus der Balance gebracht wurde. Und natürlich man selbst, sodass man vor der nächsten Herausforderung stand: wieder hochkommen aufs Brett, mitten auf dem See. Stressabbau? Eher Stressaufbau. Aber es hat ja auch niemand gesagt, dass all die schönen Ziele schon in der ersten Stunde erreicht werden. Also auf zur nächsten!

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