Die Tochter braucht eine neue Mütze, am liebsten selbst gestrickt. Also auf in den kleinen Wollladen. Die Vorliebe für dezente Töne und der Ruf der dunklen Jahreszeit nach Farbe führen zum Kompromiss einer schwarzen Mütze mit roten Streifen. Die Wolle eine Alpaka-Schafwoll-Mischung, fair produziert und biologisch gefärbt, sündhaft teuer. Zwei Knäuel für 40 Euro. Also frisch ans Werk. Für einen dehnbaren Rand ist der italienische Anschlag die Technik der Wahl. Doch der hat es in sich. Diverse Anleitungen im Internet sehen kinderleicht aus, lassen sich aber mit schwarzem Faden und nicht all zuviel Routine abends auf dem Sofa nicht so einfach nachstricken.
Konzentration auf den Augenblick ist jetzt alles. Eine Masche rechts verdreht stricken, eine links abheben, eine rechts verdreht, eine links abheben: Doch die Gedanken schweifen ab, wandern zu dem, was sonst noch alles zu tun wäre. Katastrophe. Eine Masche ist gefallen, Reparatur unmöglich. Zu Beginn zählt man noch mit, wie oft man von vorne anfangen muss, nach dem fünften oder sechsten Mal nicht mehr.
Nun tritt auch noch die Katze auf den Plan. Nein, sie versucht nicht, den Faden zu fangen, sie ist älter und ein wenig träge. Aber sie hat den warmen Platz auf Frauchens Schoss gewittert, rollt sich sofort unter dem widerspenstigen Strickzeug zusammen und fängt an laut zu schnurren.
Zu guter Letzt findet Frauchen sich aufrecht sitzend am gut ausgeleuchteten Küchentisch wieder, strickt das Bündchen mit dem helleren roten Faden und das laute Vorsagen klingt wie ein Mantra: Eine abheben, eine verdreht. Die Mieze ist mittlerweile ausgesperrt und maunzt hinter der geschlossenen Tür. Doch dann kehrt Ruhe ein, die Entschleunigung ist da, die Mütze wächst. Zen oder die Kunst eine Mütze zu stricken - eine wirklich überaus günstige Alternative zu den nach dem Weihnachtsstress überall angebotenen Yoga-Retreats und teuren Meditationskursen. Om.