Mitten in Dießen:Geblendete Bahnfahrer

Wer am Bahnhof eine Fahrkarte lösen will, sollte früh aufstehen. Oder auf schlechtes Wetter hoffen

Von Armin Greune

Monatelang hat er auf sich warten lassen, aber nun ist er doch noch ausgebrochen. Der späte und vielleicht gerade darum um so schönere Sommer beglückt nicht nur Daheimgebliebene, sondern auch Feriengäste, die sich zahlreicher denn je im Fünfseenland tummeln. Strahlender Sonnenschein kann aber auch ein Dorn im Auge sein: Etwa wenn man am Dießener Bahnhof eine Fahrkarte lösen möchte. Das sollte man tunlichst am Morgen oder späten Vormittag erledigen - denn später ist das Display am nach Westen ausgerichteten Automaten praktisch unlesbar.

Diese Blendwirkung ist natürlich nicht erst seit diesem Sommer bekannt. Jahrelang haben der Dießener Seniorenbeirat und die Gemeindeverwaltung die Bahn AG auf diesen Miss-(Sonnen-) stand hingewiesen. Doch nun dürfen die Verhandlungen mit dem Transportunternehmen als endgültig gescheitert angesehen werden: Die Bahn ist weder bereit, den Fahrkartenautomaten zu drehen, noch woanders zu positionieren. Und die konstruktive Lösung, die der Konzern schließlich anbot, war so hässlich und dysfunktional, dass die Gemeinde lieber selbst aktiv wird: Zunächst ist westwärts vom Automaten eine provisorische Holzplatte angebracht worden. Wenn das Display so ausreichend beschattet ist, will man sich auch um eine optisch ansprechendere Lösung bemühen. Im Bauausschuss wies Gemeinderätin Petra Sander freilich darauf hin, dass der frei stehende Automat nicht völlig verbaut werden sollte. Der sozialen Kontrollen wegen, die vor mutwilligen Zerstörungen schützen könnte.

Da bleibt natürlich die Frage, warum der Fahrkartenspender ausgerechnet am Übergang in die Seeanlagen hundert Meter entfernt vom Bahnhof und nicht etwa am Gebäude selbst platziert wurde - wo der Schutz vor Sonne, Regen und Vandalismus viel eher gewährleistet wäre. Böse Zungen lästern, das sei die Rache der Bahn AG dafür, dass sie vor zehn Jahren bei der Neuvergabe des Personenverkehrs ausgebootet wurde: Der Freistaat vergab die Linie - laut der Bahnfreunde von www.ammerseebahn.de "eine der schönsten Strecken in Bayern" - stattdessen an die Veolia-Tochtergesellschaft Bayerische Regiobahn (BRB). Seitdem ist die Bahn AG nur noch für die Strecke und die Bahnhöfe am Ammersee zuständig, die sie noch nicht verkauft hat. Der Vorwurf der Revanche am Konkurrenten ist allerdings kaum zu halten. Denn mit den schwer zu bedienenden Automaten stellt sich der Konzern lediglich selbst ein Bein, weil auf das Dießener Display nur Fahrgäste angewiesen sind, die mit der Bahn AG weiterreisen. Die Kunden aber, die ausschließlich mit der BRB fahren, können in deren Zügen die Fahrkartenautomaten nutzen. Die funktionieren ohnehin wesentlich besser, wie Gemeinderat Volker Bippus feststellte. Und wie fast alles, seitdem die BRB 2008 den Verkehr übernommen hat.

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