Medizintechnik:Hör' mal her!

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Med-El ist eines von vier Unternehmen weltweit, das Hörimplantate herstellt. In Starnberg sitzt die Deutschland-Zentrale mit 100 Mitarbeitern

Von Otto Fritscher, Starnberg

Es gibt Unternehmen, die schon seit längerem in Starnberg ansässig sind und zudem weltweit agieren - und doch nur einer Handvoll Spezialisten bekannt sind. Med-El ist so eine Firma, die Abkürzung bedeutet Medical Electronics. Womit schon klar wäre, womit sich Med-El beschäftigt: Medizintechnik, speziell mit Hörgeräteimplantat-Systemen, die man vom bloßen Aussehen her mit herkömmlichen Hörgeräten verwechseln könnte. Doch der Eindruck täuscht: Hörimplantate kommen immer dann zur Anwendung, wenn mit Hörgeräten - salopp gesagt - nichts mehr geht.

"Vormals taube Kinder haben damit das Hören gelernt, Musiker konnten ihren Job wieder besser ausüben, und ältere Menschen, bei denen das normale Hörvermögen nachlässt, können mit einem Hörimplantat wieder besser am Leben teilhaben", sagt Hansjörg Schößer, Geschäftsführer der Med-El Deutschland GmbH. Erfunden haben das System vor 40 Jahren zwei Österreicher, Ingeborg und Erwin Hochmair aus Innsbruck. Seit 25 Jahren gibt es nun die Med-El Deutschland GmbH mit Sitz an der Moosstraße im Starnberger Gewerbegebiet. Anfangs hatte Med-El vier Mitarbeiter, vor zehn Jahren, als Hollstein dazukam, waren es rund 30 und nun sind es 115, die von Starnberg aus hauptsächlich Kunden und Kliniker betreuen. "Wir können bisher jedes Jahr ein gutes Wachstum verzeichnen", sagt Marketing-Chefin Andrea Hollstein, und verweist darauf, dass Med-El immer noch ein Familienunternehmen ist, das von den Gründern geführt wird. "Vielleicht herrscht deshalb ein so familiäres Klima bei uns", sagt Hollstein.

Geschäftsführer Hansjörg Schößer sagt, dass vormals taube Kinder damit das Hören gelernt, Musiker ihren Job wieder besser ausüben konnten. (Foto: Nila Thiel)

In dem Gebäude hat Med-El mittlerweile drei Stockwerke in Beschlag genommen. Hier gibt es Büros für Vertrieb und Außendienst, den telefonischen Kunden-Support, Wissenschaftler, eine Technik-Abteilung, ein Lager und sogar eine Werkstatt, in der Karl Stiller unter dem Mikroskop kleinere Reparaturen vornehmen kann. Hörimplantate, von denen es bei Med-El drei unterschiedliche Baureihen gibt, bestehen nämlich aus zwei Komponenten: einem Implantat, das in einer Operation hinter dem Ohr unter die Haut eingesetzt wird, und einem Audioprozessor, der hinter dem Ohr getragen wird und die Geräusche der Umwelt aufnimmt. Das Implantat ist mit einem sogenannten Elektrodenträger mit der Hörschnecke im Innenohr verbunden. Der Audioprozessor ist drahtlos mit dem Implantat verbunden, das die elektrischen Signale direkt an den Hörnerv sendet. So wird der Teil der Hörschnecke, der nicht funktioniert, umgangen. Vom Hörnerv gehen die Signale dann ans Gehirn. Kann man nach der Operation sogleich wieder super hören? "Ja, es gibt manchmal solche Fälle, aber meistens muss trainiert werden, was einige Monate dauern kann", erklärt Firmensprecherin Julia Kujawa.

Wie kommt man an ein Implantat? Der Weg führt über den HNO-Arzt. Dort wird festgestellt, ob das normale Hörgerät nicht mehr ausreicht. Wenn dies so ist, geht es weiter an eine der 150 Kliniken, die in Deutschland mit Med-El zusammenarbeiten. Erst nach einer ausführlichen Analyse, Diagnostik und Beratung wird von einem Spezialisten operiert. Die Kosten übernimmt in medizinisch verordneten Fällen die Krankenkasse. Die Kosten sind durchaus beachtlich: Ein Implantat kostet rund 20 000 Euro. "Wir arbeiten in Deutschland mit 150 Kliniken zusammen", sagt Schößer. Weltweit seien es rund 2000 Krankenhäusern in 115 Ländern.

Audioimplantat-Systeme von Med-El helfen, wenn mit Hörgeräten nichts mehr geht. (Foto: Nila Thiel)

"Wir erleben hier immer wieder ganz emotionale Geschichten", sagt Andrea Hollstein. Etwa mit dem Mädchen, das in die Andechser Grundschule geht, und dank eines Hörimplantats dem Unterricht wieder folgen kann. Die Andechser Schule hat sich auch an dem von Med-El ausgelobten Wettbewerb "ideas for ears" angeschlossen. "Unglaublich, was für Ideen Kinder da entwickeln", staunt Andrea Hollstein. So wurde etwa ein Handschuh eingereicht, der mit verschiedenfarbigen Lichtern signalisiert, ob das Telefon läutet, oder ob es die Türklingel ist. Oder ein Radio mit Fühlball, mit dessen Hilfe man die Musik spüren kann. Der Text läuft auf einem Display dazu parallel. Die Preisverleihung findet dann Anfang November statt.

Auch im Deutschen Museum war Med-El aktiv. Dort gibt es seit 1. Juli in der Physikabteilung eine spezielle Hör-Werkstatt. "Der Bereich Hören war bei den Experimenten noch nicht so ausführlich dargestellt wie etwa das Sehen. Und da hat das Museums spontan Ja gesagt, und wir durften mithelfen, die Hörwerkstatt aufzubauen", erklärt Julia Kujawa. Dort können Kinde spielerisch herausfinden, wie das Gehör funktioniert, oder wie wir Geräusche dämpfen oder verstärken können. Auch der Frage, wie Beethoven trotz seiner Taubheit Musik hören konnte, wird nachgespürt, bis hin zu den modernsten Hörhilfen wie Implantaten. "Die Hör-Werkstatt ist ein Mitmachbereich für Kinder ab sieben Jahren", sagt Kujawa - und eine ähnliche Ausstellung "gibt es im firmeneigenen Museum Audioversum in Innsbruck.

Karl Stiller arbeitet in der Werkstatt. (Foto: Nila Thiel)

Zurück nach Starnberg. "Wir haben hier noch etwas Platz, so dass wir für die Zukunft gerüstet sind", sagt Andrea Hollstein. Viele Mitarbeiter kommen aus dem Fünfseenland. Sie arbeiten für die Nummer eins bei Hörimplantaten in Europa, weltweit ist Med-El die Nummer zwei. "Wir wollen weiter wachsen, aber dabei das Familienunternehmen bleiben", sagt Hansjörg Schößer. Und das natürlich in Starnberg und von Starnberg aus.

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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