Literaturabend in Tutzing:Zeitreise mit Udo Wachtveitl

Literaturabend in Tutzing: Der Schauspieler als Leser: Udo Wachtveitl bei einer Veranstaltung in Zorneding.

Der Schauspieler als Leser: Udo Wachtveitl bei einer Veranstaltung in Zorneding.

(Foto: Christian Endt)

Der Schauspieler liest aus dem Roman "Erfolg" von Lion Feuchtwanger. Darin tritt ein ein Panoptikum von Spießern und Sonderlingen auf, wie der Historiker Andreas Heusler erläutert.

Von Katja Sebald, Tutzing

Im Nachhinein ist man immer klüger: Der jüdische Schriftsteller Lion Feuchtwanger aber war einer der ersten, der in Deutschland vor der nationalsozialistischen Gefahr warnte. Sein 1930 erschienener Roman "Erfolg" wurde vielfach als "Sittengemälde" des Landes Bayern zu Beginn der zwanziger Jahre beschrieben, er schildert die Verwerfungen der Weimarer Zeit und den darin begründeten Aufstieg der Nationalsozialisten in München. Der Historiker Andreas Heusler ist Autor einer im vergangenen Jahr erschienenen Feuchtwanger-Biografie. In der Evangelischen Akademie sprach er über Feuchtwangers Roman "Erfolg", der Schauspieler Udo Wachtveitl las dessen Texte.

Der Abend mit den zwei Herren, die einen dritten Herrn vorstellten, sei eine bemerkenswerte Ausnahmeerscheinung, sagte die stellvertretende Akademiedirektorin Ulrike Haerendel, fand er doch im Rahmen der Reihe "Tutzinger Salon" statt, die bis vor kurzem noch "Damensalon" hieß und sich in erster Linie mit weiblichen Biografien befasst. Bemerkenswert war der Abend dann aber vor allem, weil Wachtveitl eindrucksvoll unter Beweis stellte, dass er weitaus mehr kann als den Tatort-Kommissar Franz Leitmayr.

Der Historiker Heusler leitet am Stadtarchiv München die Sachgebiete für Zeitgeschichte und für Jüdische Geschichte. Er promovierte über die Geschichte der Zwangsarbeiter in München und ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze zur NS-Verfolgungsgeschichte in München, zuletzt legte er eine Biografie über Feuchtwanger als Münchner, Emigrant und Weltbürger" vor. Er stellte "Erfolg" als ein "schillerndes Panoptikum von Sonderlingen und Spießern" vor, entstanden, nachdem Feuchtwanger 1925 der Enge seiner Heimatstadt entflohen war und in Berlin lebte. Heusler ging weniger auf die eigentliche Handlung des Romans ein, sondern insbesondere auf die Technik des Schlüsselromans. "Erfolg" sei ein "faktengesättigter Gegenwartsroman", Ausdruck von Feuchtwangers "heißer Empörung über die politische Entwicklung in Bayern". Der eigentliche Protagonist des Romans, der Museumsdirektor Martin Krüger, der in einem politisch motivierten Meineid-Prozess zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, trat in den Hintergrund zugunsten jener "charakteristischen Bewohner der oberbayerischen Hochebene", mit denen Lion Feuchtwanger auf der Bühne der Stadt München sein zwar fiktives, aus der Rückschau aber erschreckend wahrheitsnahes Sittengemälde entwirft. Der Roman lebt gerade von diesem Wechselspiel aus Fiktion und Faktizität, aus historischen und fiktiven Figuren auf der anderen Seite, aus Orten und Ereignissen.

Udo Wachtveitl führte nun einzig und allein mit seiner Stimme in die Wohnung des nervös überarbeiteten Rechtsanwalts Siegbert Geyer und an den Stammtisch der "wahrhaft Deutschen", er ließ jenen Rupert Kutzner auftreten, mit dem "winzigen dunklen Schnurrbart und dem pomadig gescheitelten Haar auf dem fast hinterkopflosen Schädel", er ließ die gebannten Zuhörer den gewaltsamen Tod des Chauffeurs Ratzenberger erleben und begleitete sie ins Büro des selbstgefälligen Baron Reindl, wo sie den Ingenieur Kaspar Pröckl kennenlernen durften, in dessen Figur sich seinerzeit Bert Brecht wiedererkannt hatte. Und nicht nur er: "Nach dieser Leistung bleibt dem Löb Feuchtwanger wohl nur noch zu bescheinigen, dass er sich einen zukünftigen Emigrantenpass reichlich verdient hat", hetzte der Völkische Beobachter nach Erscheinen des Buchs. Das sollte sich bewahrheiten.

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