Kunst:Das große Leuchten

Rolf Bernhard Heer sammelt elektronische Kunstwerke, die mit dem Betrachter kommunizieren, ihn durch Leucht- und Blinksignale zum Nähertreten einladen. Langsam aber wird es in seiner Starnberger Wohnung eng.

Von Katja Sebald, Starnberg

Ganz wohl ist es ihm nicht bei dem Gedanken, dass er das geliebte fünfteilige Herzstück seiner Sammlung abmontieren, in Luftpolsterfolie packen und nach Unterhaching fahren muss. Schließlich hat Rolf Bernhard Heer seine Starnberger Wohnung eigentlich nur wegen der Arbeit "5 x eine Frage des Glaubens" von Walter Giers bezogen, die große Wand am Ende der Zimmerflucht wurde eigens mit einer passenden Installation ausgestattet, sodass das elektronische Kunstwerk über Lichtschalter ein- und ausgeschaltet werden kann. Von nächster Woche an wird es aber vier Tage lang als eines der bedeutendsten Exponate auf der "ars-technica 7" zu sehen sein, einem Festival für Kunst und Technik in Unterhaching.

Rolf Bernhard Heer hat im Lauf von 25 Jahren eine höchst ungewöhnliche Kunstsammlung zusammengetragen: Sie besteht vor allem aus Objekten, die mittels elektronischer Bauteile mit dem Betrachter kommunizieren, ihn durch Leucht- und Blinksignale zum Nähertreten einladen, die selbst auf Bewegung oder veränderte Lichtsituationen reagieren, sich bewegen oder aber unterschiedlichste Klänge und Geräusche von sich geben. Längst reicht die weitläufige Starnberger Wohnung des Sammlers nicht mehr aus, um alle Stücke gleichzeitig zu präsentieren: "Der Spielraum für ein weiteres Wachstum ist nur noch sehr gering; mit Ausnahme einiger Decken- und Bodenplätze sind so gut wie keine Ressourcen mehr vorhanden." So beschreibt Heer selbst den "Status" seiner Leidenschaft. Im Wohnzimmer, im Esszimmer, im Arbeitszimmer, im Flur sind die Kunstwerke verteilt, ein Leuchtkasten des Münchner Künstlers Hans Schork, der ein nächtliches Firmanent zeigt, und eine filigran illuminierte Betonguss-Säule des US-Amerikaners Clyde Linds haben es sogar bis ins Schlafzimmer des Sammlers geschafft.

Kunst aus Licht, Ton und Bewegung; Rolf B. Heer

Rolf Bernhard Heer aus Starnberg sammelt in seiner Wohnung Kunst aus "Licht, Ton und Bewegung".

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Liste der von Heer gesammelten Künstler liest sich wie das Who-is-Who der "Electronic Art", zu der im weitesten Sinn auch die Bereiche Kinetische Kunst, Klangkunst und Videokunst gehören. Auch Heers Sammlung beschränkt sich nicht auf die rund 75 Objekte, die er an drei verschiedenen Standorten hortet, sondern beinhaltet auch noch allein rund hundert Computeranimationen von Hajo Drott sowie Videoarbeiten von Künstlern wie Bjørn Melhus, Peter Weibel, Jakub Nepras oder dem Schweizer Künstlerduo Fischli/Weiss. Mit Roman Woerndl ist auch ein Künstler aus dem Starnberger Raum vertreten: Sein auf den Fußboden der Garderobe projiziertes Video "Step by Step" empfängt die Besucher - sofern es eingeschaltet ist. Im Alltag sei es praktisch unmöglich, alle Objekte dauerhaft oder auch nur gleichzeitig in Betrieb zu nehmen, bekennt Heer: "Das wäre weder dem Rezipienten noch der Elektronik zuträglich." So entscheidet er je nach Stimmung oder Situation, auf welche Schalter, Steckerleisten, Knöpfchen und Fernbedienungen er drückt. Beispielsweise hat das aus Draht gebaute und mit Lautsprechern und Fotozellen ausgestattete "Minimal Music Piece" von Peter Vogel, das vor dem Fenster steht, seinen großen Auftritt an Tagen mit vielen Wolkenbewegungen, denn es reagiert auf Licht und Schatten.

Der 1940 in Pforzheim geborene Rolf Bernhard Heer kam Anfang der Sechziger Jahre für ein BWL-Studium nach München, er arbeitete danach bei Siemens und lebt seit 1975 in Starnberg. Sein Interesse für Kunst fokussierte sich zunächst auf Malerei der klassischen Moderne und Nachkriegsmoderne - er vermisste jedoch schon bald den Gegenwartsbezug und vor allem die Möglichkeit, mit den Künstlern in Kontakt zu treten. Auf der Suche nach Kunst mit "zeitgemäßen Mitteln" stieß er zunächst auf Peter Vogel aus Freiburg, der interaktive elektronische Objekte baut. Ein kleines Katalogheftchen einer Münchner Galerie brachte ihn bald darauf auf die Spur des Künstlers Walter Giers, dessen Werke seither den Schwerpunkt seiner Sammlung bilden. Der 1937 geborene und 2016 verstorbene Klang- und Lichtkünstler Giers kam wie andere Pioniere der elektronischen Kunst ursprünglich von der Musik. Heer besitzt auch einige seiner frühen Arbeiten aus den Siebzigerjahren, die noch ganz im Sinn der Fluxus-Bewegung den Betrachter als Akteur zum Teil des Kunstwerks machen. Die fünf mit Elektronik bestückten Acrylglas-Tafeln, von denen je eine dem Christentum, dem Islam, dem Buddhismus und dem Judentum sowie dem Transzendentalismus gewidmet ist, entstanden im Jahr 1994, erscheinen jedoch in unseren Zeiten aktueller denn je.

Kunst aus Licht, Ton und Bewegung; Rolf B. Heer

Je nach Stimmung entscheidet Rolf Bernhard Heer, auf welche Schalter, Steckerleisten oder Knöpfchen er bei Objekten drückt.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Dokumentiert ist die Sammlung von Rolf Bernhard Heer auf der Internetseite www.Licht-Klang-Bewegung.de. Mit insgesamt zehn Exponaten, die er für die "ars-technica 7" zur Verfügung stellt, ist Heer einer der wichtigsten Kunstsponsoren der Ausstellung, die seit 16 Jahren im Zweijahresturnus stattfindet und am Freitag, 28. April, in der Hachinga-Halle in Unterhaching eröffnet wird. Sie ist bis zum 1. Mai zu sehen.

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