Landsberg:Papas Po

Die Welt der Wunderlichs

Katharina Schüttler und Peter Simonischek gehören zum großartigen Ensemble von Dani Levys "Die Welt der Wunderlichs".

(Foto: FSFF/Broz, Reuther, Schlüter)

Dani Levy zeigt in Landsberg seinen ältesten und seinen jüngsten Film. Erstmals bekommen so auch seine Kinder den Erstling zu sehen, dessen Freizügigkeit sie amüsiert - aber auch peinlich berührt

Von Armin Greune, Landsberg

Einen höchst lohnenden, heiteren Kinoabend haben Regisseur Dani Levy und Kurt Tykwer, Fiilmforum-Leiter in Landsberg, dem Publikum im Rahmen des Fünfseen-Festivals beschert. Das begann schon mit Tykwers Einführung, als er "den ersten und den letzten Film des Autors" ankündigte - und der ebenso flink wie trocken "den vorläufig letzten, hoffe ich" einwarf und so schon vor der Vorstellung die ersten Lacher erntete. Auf dem Programm standen Levys Erstling "Du mich auch" und "Die Welt der Wunderlichs", der dem Regisseur zufolge erst drei Tage zuvor fertig geworden war. Der neue Streifen läuft erst im Oktober in den Kinos an, aber in Landsberg war auch "Du mich auch" eine Art Premiere: Für Frau, Schwiegermutter und die beiden Kinder sei es die erste Begegnung mit diesem " sehr, sehr schrägen Film", sagte Levy - der das Werk selbst seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hatte.

Seinen Kindern entglitt während der Familien-Vorstellung manch halb amüsiertes halb gequältes Stöhnen: etwa als der behaarte Hintern des Vaters die Leinwand ausfüllte. Zum Fremdschämen bestand aber eigentlich kein Grund: Was Levy und Anja Franke als Drehbuchschreiber, Regisseure und sehr respektabel agierende Hauptdarsteller mit 200 000 Mark geschaffen haben, macht auch nach 30 Jahren beim Ansehen großen Spaß. Die Art, wie schwarz-weiß und anfangs mit vielen Foto-Rückblenden erzählt wird, die originellen Ideen und Kameraeinstellungen wirken immer noch sehr modern. Romeo und Julia taumeln, rennen und fliegen in "Du mich auch" durch das Berlin der Achtzigerjahre, zanken und versöhnen sich. Anderes am Film wirkt inzwischen völlig aus der Zeit gefallen: Die saxofonlastige Musik etwa; der natürliche Umgang mit Nacktheit und Nähe, die auch vor dem Klo nicht Halt macht; das Ignorieren von Konsum-, Mode- und Stylingdiktaten. Und wer kann heute noch nachvollziehen, wie hindernisreich der Weg zum Versöhnungsgespräch ist, wenn man auf Telefonzellen und Wählscheiben angewiesen ist?

Der lockere, selbstironische Film erinnert an Godards "Außer Atem". Er dokumentiert ein einzigartiges Lebensgefühl: So frei von Zwängen, Ängsten und Erwartungen wie im Berlin der 1980er war eine Jugend in Deutschland weder zuvor noch danach zu leben. Und im gewissen Sinn gilt das auch für das Filmemachen.

In der Pause offenbarte Levy, was man beim authentischen Blick auf die Beziehungskiste im Film schon vermuten durfte: Er und Franke waren auch privat ein Paar, das sich kurz vor Drehbeginn trennte. Sehr witzig schilderte Levy, wie sie jahrelang nach einem Produzenten suchten, der das Drehbuch wenigstens lesen wollte: "Mit dem Kinderkram wollten die nichts zu tun haben". Man ging sogar so weit, dass man Redakteuren Szenen live im Büro vorspielte: "Das fand dann große Ablehnung." Letztlich konnte doch noch ein Fan beim Schweizer Fernsehen gewonnen werden, "Du mich auch" wurde zum Kultfilm: Mit nur sechs Kopien fand er in Deutschland 150 000 Zuschauer, er lief in Cannes und zwei Jahre lang in Berlin - im "Moviemento" von Tykwers berühmten Sohn Tom.

Ein bisschen Wehmut schien mitzuschwingen, wie Levy auf die wilde, unabhängige Zeit zurückblickte, als "zwei etwas groß gewordene Kinder" filmten, die als Autodidakten "keine Ahnung vom Drehen hatten". Heute werde er von einem ganzen Stab an Mitarbeitern betreut, die etwa das Marketing eines Films ständig im Auge behielten. So habe "Die Welt der Wunderlichs" zwölf Drehbuchfassungen erfordert. Die Frage aber, ob durch die moderne Technik die Ursprünglichkeit beim Filmemachen verloren geht, konnte Levy klar verneinen. Während das analoge 16-Millimeter-Filmmaterial stets knapp bemessen war und vor dem Dreh reifliche Planung erforderte, ließe es sich digital "wesentlich spontaner arbeiten: Ich liebe es, wenn man auch mal Fehler machen kann." Das Filmen mit Kindern etwa sei deshalb viel lockerer und einfacher geworden.

Davon legt auch "Die Welt der Wunderlichs" ein beredtes Zeugnis ab: Der Film ist eine temporeiche, turbulente Komödie mit durchweg schrägen Typen; hervorragend gespielt und mit einem wunderschönen Soundtrack unterlegt. Der Streifen dürfte beim Publikum ähnlich gut ankommen, wie gerade "Toni Erdmann". Manchem Kritiker aber könnte vielleicht das recht konventionelle Happy End sauer aufstoßen.

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