Kunstausstellung:Ein Weihnachtsmärchen

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Als wären's Korallen: Die beiden Keramikkünstler Ute Beck und Christoph Möller im Gespräch vor ihren Werken. (Foto: Nila Thiel)

"Das wünsch ich mir": Die letzte Ausstellung dieses Jahres in der Reihe "Nah - fern" vereint Keramiken und Fotoarbeiten von fünf Künstlern

Von Katja Sebald, Starnberg

"Das wünsch ich mir" - so ist die vorweihnachtliche und für dieses Jahr letzte Ausstellung der Reihe "Nah - fern" in der ehemaligen Schalterhalle des historischen Bahnhofs am See in Starnberg überschrieben. Sie vereint Arbeiten der beiden Fotografen Stefan Pielow und Julian Raggl sowie Keramiken von Ute Beck, Heide Nonnenmacher und Christoph Möller.

Nun könnte man es sich einfach machen und das Ganze als eine Art Christkindlmarkt im Warmen deuten. Und tatsächlich stehen auf einem großen "Gabentisch" inmitten des Ausstellungsraums wundersame Objekte, die man gut und gerne zu Weihnachten verschenken könnte. Auch die Fotos an den Wänden ließen sich einrollen oder gleich mitsamt Rahmen mitnehmen und als Geschenke weitergeben.

"Das wünsch ich mir" - vielleicht hat das der eine oder andere Vernissagenbesucher seiner besseren Hälfte zugeflüstert und dabei auf dieses oder jenes Exponat gedeutet. Man könnte sich dieser vorweihnachtlichen Ausstellung aber auch ganz anders nähern: Vielleicht sind es ja nicht die Besucher, sondern vielmehr die ausstellenden Künstler, die sich hier etwas wünschen dürfen.

So hat sich etwa Ute Beck, die vor einigen Jahren von Feldafing nach Stuttgart umgezogen ist, mit ihren neuen "Vasen" von allen Zwängen befreit. Die Keramikerin lotet in jüngster Zeit die Grenzen ihres Materials aus und formt eigenwillige Objekte, die nur noch vage an die ursprünglichen Gebrauchsgegenstände erinnern: Es sind körperlose Vasenformen aus skelettartigen Gitterstrukturen, die eher als filigrane Plastiken denn als Gefäße gelten dürfen.

Die Blumen zu diesen Vasen gibt es sozusagen extra: Der Keramikkünstler Christoph Möller hat die Grenzen zwischen Kunsthandwerk und Kunst schon längst überschritten. In Starnberg zeigt er jetzt merkwürdig-poetische, wuchernde und vielarmige Objekte, die man als Blüten- und Pflanzenformen, als korallenartige Unterwassergewächse oder als Mollusken mit Saugnäpfen und Rüsselchen deuten könnte.

Heide Nonnenmacher aus Nattheim bei Heidenheim wünscht sich einen "Tauchgang" im Jurameer ihrer Heimat, dessen Fossilien einzigartig und weltberühmt sind. Ihre Formen und Strukturen zitiert sie mit papierzarten weißen Porzellanobjekten, für die sie eine eigene Technik entwickelt hat. Die aufgefächerten Oberflächenstrukturen auf der Innenseite bilden dabei einen reizvollen Kontrast zur glatten äußeren Schale.

Der Fotograf Stefan Pielow aus Starnberg, der viele Jahre die Preisträger des Deutschen Gründerpreises fotografierte und in Szene setzte, zeigt im großen Format skurril anmutende Bilder, etwa von zwei braven Anzugträgern, die als "Stromeinkäufer" in ein Umspannwerk einmarschieren und mit ihren weißen Plastikeinkaufskörben beinahe so unpraktisch und dabei skulptural wirken wie die Vasenformen von Ute Beck. Auch eine eigentlich im Rahmen einer Dokumentation in einer Schiffswerft in Finnland entstandene Aufnahme gibt einen leisen Hinweis darauf, dass der Fotograf sich nichts sehnlicher wünscht, als Geschichten zu erzählen, je hintergründiger, umso schöner.

Ein Geschichtenerzähler ist auch der junge Fotograf Julian Raggl aus Landeck in Tirol. Geheimnisvoll und wie aus der Zeit gefallen wirkt das Porträt einer jungen Frau, die einen hohen und sanft von innen heraus leuchtenden Hut wie aus Zuckerwatte trägt. Auch einen Schuh setzt Raggl so in Szene, dass er beinahe wie ein Lebewesen wirkt.

Und wer weiß schon, was nachts in der alten Schalterhalle passiert, wenn das Licht ausgeht. Vielleicht werden dann ja nicht nur Wünsche wahr und Schuhe lebendig, sondern auch die Stromeinkäufer und die Zuckerwattenhutdame, die Vasenkunstwerke, die Porzellanfossilien und die Saugnäpfchenpflanzen, ganz wie die Spielsachen in der Geschichte vom "Nußknacker". Aber auch die ist ja schließlich ein Weihnachtsmärchen.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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