Kunst:Apokalyptische Bilder, faszinierende Tüfteleien

Starnberg Kulturbahnhof nah-fern, Ausstellung

Inge Kurtz widmet sich seit Ende der 1990er Jahre verstärkt ihrer bildnerischen Arbeit, Hans Lindenmüller kreiert rätselhafte Kunstobjekte.

(Foto: Georgine Treybal)

Inge Kurtz und Hans Lindenmüller zeigen in ihrer Ausstellung im Starnberger Bahnhof eine Auswahl ihrer Arbeiten

Von Katja Sebald, Starnberg

Im Grenzland zwischen Realität und Fiktion, zwischen der analogen Welt der Dinge und dem virtuellen Leben im Netz bewegt sich die Künstlerin Inge Kurtz. Noch bis Mitte Juli werden ihre Arbeiten zusammen mit den geheimnisvoll-kuriosen Objekten von Hans Lindenmüller unter dem Titel "Spieglein, Spieglein . . ." im Rahmen der Reihe "nah - fern" in der ehemaligen Schalterhalle des historischen Starnberger Bahnhofs am See präsentiert: Es ist die wohl spannendste Ausstellung, die derzeit in der Region zu sehen ist.

Inge Kurtz, Jahrgang 1949, studierte Grafik und Malerei in Linz sowie Publizistik in Wien und München. Lange Zeit arbeitete sie als Feature-Autorin, für ihre Hörspiel- und Radioprojekte wurde sie vielfach ausgezeichnet. Seit Ende der 1990er Jahre widmet sie sich wieder verstärkt ihrer bildnerischen Arbeit, wobei sie virtuos vom Pinsel zur Maus und zur Kamera wechselt, um ihre Bildgeschichten zu erzählen. So kann es geschehen, dass sie erst ein Bild malt, es dann abfotografiert und im Computer bearbeitet, zerschneidet und neu zusammensetzt, auch anderswo gefundenes Bild- und Schriftmaterial hinein montiert, schließlich das Ganze auf eine großformatige Leinwand ausdruckt, um es dann noch einmal zu übermalen.

Das Ergebnis überzeugt zunächst durch die gestalterische Souveränität und die höchst komplexe Mischung aus analogen und digitalen Techniken sowie aus figürlicher Malerei, Comic-Strip und Computerspiel-Ästhetik. Nicht weniger komplex und vielschichtig sind auch die Botschaften an den Betrachter dieser Bilder: "Is there life after death?" wird gefragt. "Trespass here and find out", liest er weiter. "Alles muss raus!!!" und "Plakatieren verboten" sind als Versatzstücke aus der analogen Welt eingefügt. "I'm so retro" in einer Sprechblase hingegen ist wohl schon als Kommentar zum Bildgeschehen zu deuten. Die Figuren, die Kurtz in ihren Bildszenerien auftreten lässt, waren vielleicht einmal echte Menschen, aber sie haben sich längst in einer Virtual Reality verloren.

"You will be upgraded", hat man ihnen immer wieder versprochen. Und so sind sie zu Robotern mutiert, zu Avataren, zu Kämpfern in einem Ego-Shooter-Spiel. Ihr Bedürfnis nach Kommunikation und Zuwendung haben sie dennoch nicht verloren, sie senden Signale, probieren Umarmungen und auch Küsse. "Are you real?" fragen sie einander ängstlich. Es könnten apokalyptische Bildern sein, wären sie nicht zugleich komisch und manchmal auch sehr poetisch.

Der 1968 geborene Hans Lindenmüller, der bei Fridhelm Klein an der Münchner Akademie studierte, ist sozusagen für die "Special Effects" in dieser Ausstellung zuständig - und dazu gehört durchaus auch das Schmunzeln, das er in die Gesichter der Besucher zaubert. Er bezeichnet sich selbst als Tüftler, den die technische Umsetzung von eigentlich Unmöglichem reizt. In Starnberg zeigt er nur einige wenige seiner Arbeiten, die aber haben es in sich: Am rückwärtigen Ausgang der Schalterhalle hat er ein "Portal" installiert, das aus einem schlichten grauen Quadrat besteht und sich dank eines lautlos unsichtbaren Mechanismus öffnet und schließt. Von ebenso zurückhaltender Ästhetik ist die "Felsenstadt": minimalistische kleinformatige Objekte, die wie Schwalbennester an der Wand kleben. Die Arbeit "Gate" ist eine Art Guckkasten und vermittelt in ihrem Inneren die Illusion eines riesigen weiten Raums. Aus Keramik und mit weißer Glasur überzogen ist das kleine Objekt "Cave", das den Blick in eine künstliche Tropfsteinhöhle freigibt. Reizvolle Ergänzung ist eine Soundschleife mit einem Tropfgeräusch, das aus einer deutlich größeren Höhle stammen dürfte.

Bei der Vernissage drängten sich die Besucher um eine winzige "Garage" aus Wellblech auf einem ebenfalls winzigen Felsen. Beides hätte aus einer Modelleisenbahn-Landschaft stammen können, steht nun aber prominent auf einem hohen Podest mitten im Raum. In regelmäßigen Abständen stößt die Miniaturgarage wie ein Räuchermännchen dichte Qualmwolken aus dem halbgeöffneten Tor aus, ihr Geheimnis aber lüftet sie nicht.

Die Ausstellung "Spieglein, Spieglein..." ist bis 15. Juli jeweils freitags von 16 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr zu sehen.

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