Kultur:Zur Diva geboren

Kultur: In der Brauerei in Stegen trat Gloria Gray mit ihrem Jubiläumsprogramm auf. Es gibt die Höhepunkte aus mehr als 30 Jahren Bühnenleben wieder.

In der Brauerei in Stegen trat Gloria Gray mit ihrem Jubiläumsprogramm auf. Es gibt die Höhepunkte aus mehr als 30 Jahren Bühnenleben wieder.

(Foto: Arlet Ulfers)

Gloria Gray hat viele Schmähungen ertragen müssen, bis sie den Mut aufbrachte, sie selbst zu sein. Heute becirct die transsexuelle Sängerin ihr Publikum und nimmt sich dabei selbst auf die Schippe

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Stegen

Gloria Gray ist raumeinnehmend, und dies nicht nur physisch. Ihre Präsenz greift sofort auf die Zuschauer über, selbst wenn sie noch gar nicht mit ihrem Programm begonnen hat. Fast alles an ihr ist überdimensional: die lange blonde Mähne, die vollen Lippen, die endlos langen Beine und ihr üppiger Busen - nur die superschlanke Wespentaille nicht. "Ich habe ein Dekolleté für 12 Personen", sagt sie und so mancher Zuschauer fragt sich, ob diese Frau in ihrem goldschimmernden, weich fließenden Abendkleid und der dicken Straußenfedernboa überhaupt echt ist. Zumal schmale Hüften und die V-Form ihres Rückens eher auf einen Mann schließen lassen und ihr Gardemaß von 1,82 Metern sowieso.

Doch die Frage nach dem Geschlecht tritt schnell in den Hintergrund, wenn sie mit sexy-rauchiger Stimme darüber singt, was für eine tolle Frau sie ist. Die Zuschauer wollen die Darbietung einfach nur genießen und sich entspannt zurücklehnen, statt darüber zu grübeln, wer diese Künstlerin ist oder wer sie einmal war. Gloria Gray ist sie selbst und Punkt. Doch der Weg dorthin war schmerzhaft: "Ich hatte genügend Niederlagen", erzählt sie in ihrer One Woman-Show "My Life".

Der Auftritt in der Alten Brauerei Stegen ist eine Mischung aus ihrer Show "Glanz und Gloria" und Einblicken in ihr Leben, über das sie bis 2001 nie gesprochen hat. Heute blickt sie ohne Verbitterung zurück - im Gegenteil: Wenn sie begleitet von ihrem Salon-Orchester Wiener Lieder oder Songs von Zarah Leander anstimmt, verbreitet Gloria Gray einen Hauch des legendären Varieté im Pariser Moulin Rouge. Die Show ist eine Rückschau auf 30 Jahre Bühnenleben und feiert angeblich einen runden Geburtstag. Ihr Alter verschweigt sie allerdings, die offizielle Biografie weist aus, dass sie 1970 in Zwiesel zur Welt kam. Kindheit und Schulzeit im Bayerischen Wald seien der reine Alptraum gewesen, erzählt die Künstlerin: Sie habe sich "lebendig begraben" gefühlt in der Provinz, mit einer Verwandtschaft aus Metzgern und Viehhändlern.

Bereits mit vier Jahren wusste sie, dass sie im falschen Köper geboren wurde. Auch die Leute hätten feine Antennen dafür gehabt, dass sie anders sei. Man habe sie mit Steinen beworfen, "schwule Sau" sei noch die geringste Beleidigung gewesen, die sie sich anhören musste. Ihre Mutter hatte eine Gastwirtschaft, der Vater war Fernfahrer, ein "Outing" sei unmöglich gewesen. Mit 18 Jahren ging der junge Mann, der sie einmal war, nach München. Sie wohnte über "Kay's Bistro" und hatte dort erste Auftritte. In der Szene rund um den Gärtnerplatz fasste Gray den Mut, um sich auch tagsüber mit blonder Perücke unter die Leute zu wagen. 1992 ließ sie sich operieren und nahm auch offiziell das feminine Geschlecht an: "Ich musste viele Hürden überwinden, bis ich Frau Gray wurde". Auf die Frage, warum sie das alles auf sich nahm, sagt sie: "Ich weiß es nicht, da könnte man auch fragen, warum atmest du".

Heute kokettiert sie mit ihrem neuen Körper und nimmt sich dabei selbst auf die Schippe. "Soll ich mich entblättern?", fragt sie keck ins Publikum und. Schließlich wolle ja irgendwann jeder wissen, was bei ihr denn "unten herum los ist". Gray lässt auch weniger originelle Sprüche los, wie "Wer schön sein will, muss leiden, wer nicht schön ist, leidet sowieso" oder "Ich hab ein großes Herz, man könnte fast von der Kraft der Doppelherzen sprechen". Doch bei ihr wirkt selbst das Banale so, als wolle sie damit die Flucht nach vorne antreten. Das macht sie sympathisch. Und als sie das Lied "Komm großer schwarzer Vogel" singt, das sie ihren verstorbenen Freunden widmet, wirkt sie gar nicht mehr, wie eine zum Leben erweckte Barbie-Puppe. Da kommt die verletzte Seele Gloria Grays zum Vorschein, die für Gleichberechtigung und Toleranz kämpft. Ob als seriöse Diva oder schillernder Cabaret-Star - diese Künstlerin lässt niemanden kalt.

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