Kultur:Musik an der Wand

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Anne Kirchbach, die langjährige Hausfotografin der Bayerischen Staatsoper, zeigt im Gautinger Bosco ihre Bilderserien von Sängern und weißen Cellokästen, die scheinbar zum Leben erwachen

Von Katja Sebald, Gauting

Da sind sie wieder: die höchst eigenwilligen Fotos, die Anne Kirchbach von den Cellokästen des BR-Symphonieorchesters gemacht hat, wenn sie als Orchesterfotografin auf Konzertreisen dabei war. Die Bilder sind nicht ganz neu, sie waren auch in der Region schon in Ausstellungen zu sehen und sie sind noch mit einer analogen Kamera entstanden. Aber auch diesmal, bei der Vernissage von Anne Kirchbach im Gautinger Bosco, waren es nicht die großen Opernstars auf den übrigen Fotos der Ausstellung, über die allenthalben gesprochen wurde, sondern es waren eben jene, meist schon ein bisschen schmutzigweißen Instrumentenkästen.

Die Cellokästen sind Zaungäste und stumme Zeugen des großen Geschehens in den Konzertsälen der Welt. Sie stehen hinter den Kulissen, sie liegen auf den Gängen zur Garderobe oder sie ruhen während einer Probe aufgeklappt in den leeren Stuhlreihen des Konzertsaals. Im Flugzeug reisen sie auf eigenen Sitzen, sie werden angeschnallt und lehnen sich wie die übrigen Orchestermitglieder müde zurück.

Beim Einchecken im Hotel warten sie brav wie ein Hund hinter ihrem Besitzer, geht er später durch die Straßen der fremden Stadt, weisen sie ihn für jeden schon von weitem gut sichtbar als Künstler aus. Und kommt der Orchestermusiker schließlich mit seinem Cellokasten in der Hand an einer Reklametafel für ein Spielcasino vorbei, auf der in großen Lettern die Aufschrift "Go Play" prangt, dann ist der Moment für Anne Kirchbach gekommen, die genau jetzt auf den Auslöser drückt.

Zerzaust: Fotografin Anne Kirchbach hat die Sopranistin Sarah Maria Sun, die auf der Bühne ungewöhnlich viel Power entwickeln kann, mit einem wunderbar lebendigen Schattenspiel festgehalten. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Warum die Cellokästen damals alle weiß waren, dafür hat Anne Kirchbach keine Erklärung. Aber es war wohl nicht so sehr die markante Form, sondern eben diese helle Farbe, durch die sie auf die mitreisende Gesellschaft der Cellokästen aufmerksam geworden ist. Jede Ausbuchtung wirft auf der weißen Fläche einen scharfen Schatten, sodass man schon mal an eine Nase, einen Mund oder eine Augenbraue denken kann. Die Fotografin dachte noch ein bisschen weiter und sah auf einmal merkwürdige Gestalten, die sie an die marmornen Kykladenidole aus der Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit erinnerten. Und so waren die weißen Instrumentenkästen für sie zum Leben erwacht, immer wieder wurden auch sie zu Protagonisten ihrer wundersam erzählerischen Bilder.

Und vielleicht ist damit schon das Geheimnis der Fotografin Anne Kirchbach erklärt: Sie kommt nicht nur schnell vorbei, um ein Foto zu machen, sondern sie bleibt da, sie schaut genau hin und sie hat Geduld. Anne Kirchbach ist in der Welt der Musik und mehr noch in der Welt der Oper zuhause. Sie kennt nicht nur jeden Sänger, sondern auch jedes Werk und jede Arie. Sie versteht es, auf den Moment des höchsten Ausdrucks zu warten und Bilder zu machen, die diesen musikalischen Ausdruck ganz ohne Ton, nur durch Körperhaltung und Mimik wiedergeben. "Opernsänger expressiv" heißt die zweite Bildserie in dieser Ausstellung, alle Aufnahmen stammen aus aktuellen Produktionen der Bayerischen Staatsoper und der Salzburger Festspiele. Es sind Fotografien, die gleichsam mitten im Bühnengeschehen, dabei aber scheinbar völlig mühelos, wie en passant entstanden sind.

Das Bild zeigt Cellokästen der BR-Symphoniker auf Reisen. (Foto: Georgine Treybal)

Wie sie das macht, darüber spricht die Fotografin nicht. Sie verrät auch ihr Alter nicht, und sie versteht es bestens, auf Fragen ausweichend zu antworten, ebenso wie sie es versteht, bei ihrer eigenen Vernissage weitgehend im Hintergrund zu bleiben, obwohl doch so viele Starnberger da sind, um sie zu feiern. Anne Kirchbach ist in Starnberg aufgewachsen, seit einigen Jahren lebt sie auch wieder dort. Von 1970 bis 1994 war sie fest angestellt als Hausfotografin an der Bayerischen Staatsoper, zuvor absolvierte sie eine Ausbildung in einer Londoner Werbeagentur und studierte an der Münchner Akademie für Foto-Design. Seit 1995 arbeitet sie als freie Fotografin. Als Vorsitzende des Vereins "Sozialwerk Starnberg" wurde sie 2016 mit der Bezirksmedaille des Bezirks Oberbayern ausgezeichnet. Aber das erzählt sie natürlich nicht. "Frau Kirchbach verrichtet ihre ehrenamtliche Arbeit still, beharrlich und optimistisch", sagte Bezirkstagspräsident Josef Mederer in seiner Laudatio - und das würde wohl auch auf ihre Arbeit als Fotografin passen.

Die Ausstellung von Anne Kirchbach ist noch bis zum 17. Dezember im Bosco in Gauting zu sehen.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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