Kultur:Hotel Mama

Lia Schneider-Stöckl hat eine Dokumentation über das Hollerhaus in Irschenhausen zusammengestellt, das im "Bullen von Tölz" als Pension Resi diente. Das Buch enthält Erinnerungen und Zeugnisse aus 600 Jahren

Von Stephanie Schwaderer, Icking

Mal abgesehen davon, dass Ottfried Fischer bei den Dreharbeiten zum "Bullen von Tölz" immer wieder im Treppenhaus stecken geblieben ist - im Hollerhaus haben sich so viele außergewöhnliche Geschichten zugetragen, dass selbst Lia Schneider-Stöckl bisweilen den Überblick zu verlieren drohte. Vor sieben Jahren hat sie begonnen, Dokumente und Erinnerungen zu sammeln. 2016 nahm ihr neues Buchprojekt erste Formen an. Mittlerweile hält sie ihre druckfrische gelbe Hollerhaus-Dokumentation in den Händen - und ihre Familie in Ebenhausen kann wieder in Ruhe essen.

Zuletzt habe das Chaos doch etwas überhand genommen, erzählt die Juristin. "Alle Tische im Haus waren belegt." Tatsächlich enthält das 204 Seiten starke Werk eine erstaunliche Fülle von Material: Fotos in Farbe und Schwarz-Weiß, Gemälde und Zeichnungen, die in Irschenhausen entstanden sind oder Szenen der Umgebung einfangen, Briefe, Tagebucheinträge und Architekturpläne.

600 Jahre reichen Schneider-Stöckls Nachforschungen zurück, bis in die Zeit, als das Hollerhaus ein Stiftsbauernhaus war. "Die Leute sind früh gestorben damals", sagt die Autorin, "wenn auf die Schnelle kein neuer Ehegatte in Sicht war, hat das Kloster ausgeholfen und Hochzeiter herbeigeschafft - wenn es sein musste, bis aus Südtirol."

Kultur: Seit 18 Jahren leitet Lia Schneider-Stöckl das Hollerhaus. Nun hat sie ihm ein Buch gewidmet.

Seit 18 Jahren leitet Lia Schneider-Stöckl das Hollerhaus. Nun hat sie ihm ein Buch gewidmet.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Geliebt, gelebt und gestorben wurde auch in den folgenden Jahrhunderten im Hollerhaus - und das womöglich intensiver als in den meisten umliegenden Anwesen. Im 19. Jahrhundert mauserte sich Irschenhausen mehr und mehr zu einem Erholungs- und Künstlerort. Auf den schönsten Grundstücken entstanden Sanatorien, Villen und Landhäuser, Spekulanten machten gute Geschäfte. Der Grund um das Hollerhaus schrumpfte bedrohlich zusammen, bis 1915 das Künstlerpaar Clara und Friedrich Walter Porges das urige, von Holunderbüschen gesäumte Anwesen erwarb und ihm seinen heutigen Namen gab.

Eine ergiebige Fundgrube waren für Schneider-Stöckl alte Gästebücher mit originellen Illustrationen und Gedichten. "Da spiegelt sich Zeitgeschichte wider", sagt sie. So gibt es etwa Einträge amerikanischer Soldaten, die im April 1945 im Hollerhaus nächtigten: "One of the most convenient nights that I have spent in three years", hat einer von ihnen notiert. Ein anderer Gast skizzierte 1947 die Besatzungszonen; die Frauenrechtlerin und Pazifistin Constanze Hallgarten hinterließ 1949 ein Gedicht ("Es ist als ob die Bombadur nur Steine hat zerdrückt").

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Gab den "Bullen von Tölz": der früher in Gauting, jetzt in Passau lebende Schauspieler Ottfried Fischer.

(Foto: picture-alliance/dpa)

Zu einigen dieser Gäste, beziehungsweise deren Nachfahren, konnte Schneider-Stöckl Kontakt aufnehmen. "Da gab es einige Erlebnisse", sagt sie. Auch den älteren Dorfbewohnern habe sie noch ein paar Anekdoten entlocken können. Die legendäre Ära unter Hausherrin Ingrid Lepsius hat sie über weite Strecken selbst miterlebt. Lepsius machte das Anwesen nicht nur zu einem "Ort diskreter Geburten", sie öffnete ihr Haus auch für Schauspieler ("Zur Sache Schätzchen"), organisierte Ausstellungen und feierte rauschende Feste.

Schneider-Stöckl hat das Hollerhaus im Jahr 2000 von Lepsius übernommen. Was sie dort seither alles auf die Beine gestellt hat, ist auf 70 Seiten nachzublättern. Für das Layout zeichnet ihre Tochter Laura-Maria Stöckl verantwortlich, als Herausgeber fungiert der Isartalverein. Und das Geleitwort hat Ottfried Fischer geschrieben: ein Gedicht auf das "Hotel Mama Irschenhausen".

Buchvorstellung im Hollerhaus am Freitag, 19. Januar, 19 Uhr, Anmeldung unter Tel. 08178/4408; ISBN 978-3-00-05896-8, Preis 19,90 Euro

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