Krailling:Fremdartige Klangtüfteleien

Jazzkonzert mit Ullen und Schindler

Außergewöhnliches Jazzkonzert im Salon für Klang & Kunst mit Udo Schindler und der Pianistin Lisa Ullén.

(Foto: Fuchs)

Lisa Ullén und Udo Schindler zaubern mit Folie und Rührbesen

Von Reinhard Palmer, Krailling

Auch wenn Udo Schindler in letzter Sekunde doch noch eine Duopartnerin für den 62. Salon für Klang+ Kunst in Krailling fand, blieb er bei der Instrumentenwahl der tiefen Bläser. Auf einen absagebedingten Soloabend vorbereitet, war die Wahl von Bass- und Kontrabassklarinette sowie Euphonium und F-Tuba beschlossen, bevor sich die in Schweden lebende Koreanerin Lisa Ullén, die gerade wegen eines Münchner Projekts angereist war, bereiterklärte, am Freitag den Part am Flügel zu übernehmen. Ein überraschender Stargast!

Ullén kommt vom klassischen Fach. Sie studierte an der königlich-schwedischen Musikakademie. Dann erst wendete sie sich in ihrer Pianistenkarriere dem Improvisationsfach zu. Sie verwob in Krailling Experimentelles mit unkonventionellen Spieltechniken und Hilfsmitteln eng mit klassischer Spielweise. Gerade wenn es darum ging, intensive Ballungen und Verdichtungen zu kreieren, war Ulléns virtuose Fingertechnik vorteilhaft, um einen Höhepunkt mit plastischer Substanz herauszuarbeiten. Dies waren denn auch die Momente, in denen die tiefen Blasinstrumente Schindlers eine solide Basis unterlegen konnten. Dennoch verhielt sich der Hausherr eher zurückhaltend, brachte bei weitem nicht das volle Volumen ins Spiel. So blieb die Duobalance selbst beim dunklen Grollen gleichberechtigt austariert. Und das kam der eher kammermusikalisch agierenden Ullén entgegen, ist ihre Domäne eindeutig die klangliche Feinnuancierung und ein reiches Klangkolorit innerhalb eines vielschichtigen Gebildes. Die zierliche Pianistin brachte sich sehr geordnet ein. Dazu teilte sie den Tonumfang des Flügels bisweilen in diverse Klangbereiche ein, die miteinander zu motivischen Figuren kombiniert wurden, nicht selten zu Grooves rhythmisiert. So legte Ullén etwa eine dünne Metallfolie auf die tiefsten Basssaiten, die damit ein rasselndes Geräusch erzeugten. Metallhütchen und -kugel sorgten auf den Saiten für obertonreich-unreine Glockenschläge von metallischer Eindringlichkeit. Verbleibende Bässe wurden immer wieder donnernd eingeworfen, oft mit der Hand gedämpft. Höhere Tonlagen indes flirrten und schwirrten als atmosphärisches Füllmaterial, filigran strukturiert mit saitengezupften oder saitengerieben flötenden Tönen. Ein komplexes System, das Lisa Ullén sicher und mit einer gewissen Leichtigkeit beherrschte.

Das Spielen, Draufhauen, Dämpfen, Zupfen wirkte selbst im schnellen Tempo keinesfalls unruhig. Ganz im Gegenteil. Ulléns reagierte in subtiler Weise auf den Bläserpart. Schindler griff immer wieder den zerklüfteten Duktus der Pianistin auf, verstärkte den Strukturcharakter mit Klangfetzen und experimentellen Geräuschen. Vor allem in den leisen, weit zurückgenommenen Klangtüfteleien Ulléns breitete Schindler eine Fülle an geräuschhaften und fremdartig tönenden Antworten seinerseits aus. Ob mit Schnalzern oder durchs Mundstück gesungenen Tönen, Streichen am Kontrabassklarinettenrohr mit dem Bogen, mit perkussivem Schlagen aufs Blech - schon mal mit einem Küchen-Rührbesen, darin ein Tischtennisball: Es kamen reichhaltige Stimmungen zustande, bis hin zu mystischen, auch mysteriösen Klangbildern und imposanten Soundscapes. Jedenfalls viel Stoff zum Bereden bei Speis und Trank.

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