Krailling:Ermittlungen wegen Prozessbetrugs

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"Die Vorwürfe sind haltlos": Christine Borst, Bürgermeisterin und Vorsitzende des Verbands Wohnen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Staatsanwalt prüft Anfangsverdacht gegen Verband Wohnen: Nachbargrundstück soll "unterirdisch beeinträchtigt" sein

Von Carolin Fries, Krailling

Noch ist es lediglich ein Anfangsverdacht, und ob daraus ein Ermittlungsverfahren wird, ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen: Die Staatsanwaltschaft München I prüft aktuell, ob gegen den Verband Wohnen wegen Prozessbetrugs ermittelt wird. Klar ist allerdings schon jetzt, dass damit viel juristischer Wind um einen vergleichbar kleinen Nachbarschaftsstreit gemacht wird. Und: Kraillings Bürgermeisterin Christine Borst steht als Vorsitzende des Verband im Zentrum dieses Sturms im Wasserglas. Weil strafrechtliche Ermittlungen immer gegen verantwortliche natürliche Personen und nicht gegen Unternehmen oder Verbände geführt werden, steht ihr Name aktuell auf den Unterlagen der Staatsanwaltschaft.

Ausgangspunkt der strafrechtlichen Vorermittlungen ist ein Zivilprozess, der bereits seit 2015 vor dem Landgericht München II geführt wird. Dabei geht es um einen Sozialbau mit 15 Wohnungen, den der Verband Wohnen in Weßling errichtet hat. Die Tiefgarageneinfahrt grenzt an ein Privatgrundstück. Dessen Eigentümer behauptet nun, dass sieben der etwa 70 Betonpfähle, welche die Rampe stützen, in einer Tiefe von zwei bis dreieinhalb Metern schief gesetzt wurden. Das Grundstück würde damit auf einer Fläche von 15 Quadratmetern unterirdisch beeinträchtigt. Er klagt auf 10 000 Euro Schadenersatz. Die öffentlich geförderten Wohnungen sind seit Anfang 2016 bezogen, das Verfahren aber ist noch längst nicht abgeschlossen. Momentan ist die Akte bei einem Sachverständigen, wie die Pressestelle des Landgerichts mitteilt. Der Starnberger Rechtsanwalt August Mehr, der den Verband Wohnen in dem Zivilverfahren vertritt, rechnet in den kommenden Wochen mit einem Gutachten. Er sagt: "Der Verband Wohnen ist der Meinung, es gibt keinen Überbau." Für den Fall, dass das Gutachten zu einer anderen Schlussfolgerung kommt, "sind wir der Ansicht, dass dadurch keine Beeinträchtigung entsteht".

Das strikte Abstreiten des Überbaus durch den Verband Wohnen hatte den zuständigen Richter Christian Seebeck Anfang 2016 veranlasst, das Verfahren der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Denn in einem außergerichtlichen Schriftverkehr habe der Verband Wohnen noch in der Bauphase eine Firma beauftragt, just diesen "Mangel" zu beseitigen. Seebeck schlussfolgerte daraus, dass der Überbau vor Gericht "wider besseren Wissens" bestritten wurde, womit eine Strafbarkeit wegen versuchten Prozessbetruges "naheliegend" sei. Die Staatsanwaltschaft wiederum hatte zunächst von der Einleitung eines Verfahrens abgesehen, auf eine Beschwerde hin das Verfahren jedoch nun wieder aufgenommen. "Absurd", wie August Mehr sagt. Er bedauert, dass Richter Seebeck dem Nachbarschaftsstreit in Weßling einen "strafrechtlichen Anstrich" gegeben hat. "Frau Borst hat damit nicht die Bohne zu tun."

Die Kraillinger Bürgermeisterin, seit 2014 Vorsitzende des kommunalen Wohnungsbauverbands, reagiert mit Unverständnis. Sie sei in ihrer beratenden Tätigkeit nicht in alle Vorgänge involviert, die Details des Verfahren waren ihr bislang fremd. Dennoch beteuert sie: "Die Vorwürfe sind haltlos." Dass ihr Name in dieser Sache mit Betrug in Verbindung gebracht würde, sei das eine. Viel schwerer wiegt für sie der Schaden, den der Verband Wohnen - "ein Vorzeigeprojekt" - womöglich erleiden könnte. "In den vergangenen Jahrzehnten hat der Verband mehr als 2000 Wohnungen gebaut. Er ist ungeheuer wichtig für den Landkreis." Michael Vossen, der Geschäftsführer des Verbands Wohnen, wollte sich zu den laufenden Verfahren nicht äußern.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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