Krailling:Der Bildhauer und die Präsidenten

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Rudolf Belling hat prominente Menschen modelliert - in Krailling ist eine Ausstellung über seine Werke zu sehen.

Gerhard Fischer

KraillingVom ersten Stock des Rathauses blickt ein alter Mann auf das Foyer herab. Er trägt eine Hornbrille, die Haare sind nach hinten frisiert; die Fotografie, auf der das Gesicht des Mannes zu sehen ist, sie ist schwarz-weiß, und der alte Herr sieht aus wie die Politiker, die in den sechziger Jahren die BRD regierten: Menschen mit Geschichte, Gesichter voller Leben. Oft waren es ernste Gesichter, aber der Mann auf der Fotografie, die auf einem Podest steht - er lächelt.

`Erotik´ heißt diese Skulptur von Rudolf Belling, die derzeit in der Ausstellung ´der große Belling´ im Kraillinger Rathaus zu sehen ist. Foto: Treybal (Foto: Georgine Treybal)

Es heißt, Rudolf Belling sei ein kritischer und ein politischer Kopf gewesen, aber er scheint auch ein warmer Mensch gewesen zu sein. Einer, der andere einnehmen konnte mit seinem Lächeln. Und vor allem war Belling ein großer Künstler. Im Kraillinger Rathaus ist derzeit die Ausstellung "Der große Belling" zu sehen.

Rudolf Belling starb am 9. Juni 1972 in Krailling. Aber er war kein Einheimischer, er hatte auch nicht viele Jahre vor den Toren München gelebt, er war nicht bodenständig, sondern ein Getriebener oder leider: ein Vertriebener. Der Bildhauer wurde in der 1930er Jahren von den Nazis aus dem Land gejagt, seine Werke als "entartete Kunst" gebrandmarkt. Er hatte damals bereits einen Namen, er hatte Max Schmeling modelliert, von den Knien an aufwärts, und er war berühmt geworden mit seinen Werken "Kopf in Messing" und die "Tänzerin". 1919 hatte er den "Dreiklang" geschaffen - eine Skulptur, in der er Malerei, Bildhauerei und Architektur verband.

Als die Nazis ihn vertrieben, ging Rudolf Belling nach Istanbul. Er half dort mit, ein modernes Hochschulwesen aufzubauen, und er modellierte die Spitzen der türkischen Politik. Im Kraillinger Rathaus sind Fotos davon zu sehen: das fünf Meter hohe Reiterdenkmal des Präsidenten Ismet Inönü und ein Porträt Inönüs. In der Bildunterschrift steht, der Präsident habe seinen Freund Belling geschützt, damit er "1944 nicht wie fast alle Ausländer interniert oder nach Deutschland zurückgewiesen wurde, sondern sich bis zum Kriegsende in Istanbul frei bewegen durfte."

Belling heiratete in Istanbul und kehrte erst 1966 wieder nach Deutschland zurück. Seine Tochter Elisabeth verwaltet heute in Krailling seinen Nachlass.

Der große Belling" heißt die aktuelle Ausstellung, das hört sich an wie "Der große Bellheim" und es klingt etwas aufgeblasen. Aber vielleicht ist es nur das: selbstbewusst. Und das ist angebracht, denn Belling war befreundet mit großen Persönlichkeiten, mit Präsidenten, mit Marlene-Dietrich-Entdecker Josef von Sternberg, mit Max Schmeling, mit Max Reinhardt - und, was wichtiger ist als dieses Namedropping: Bellings Werk ist eindrucksvoll und schön, die Formen sind elegant, fein und schlicht. Und nie plump. Schade, dass in Krailling nur ein paar Zeichnungen und einige Skulpturen zu sehen sind, etwa "Tanz" oder "Brunnen" oder ein Porträt seiner Jugendliebe Wally Henning, das 1906 entstanden war; Belling war damals erst 20. Auch die schnörkellose Skulptur "Synthese" ist in Krailling ausgestellt - in dieser habe Belling "seine Theorie in einer eindrucksvollen und schlichten Art bewiesen", heißt es im Begleittext. "Ich verarbeite nicht nur das Material, das ich in den Händen", hatte er einmal gesagt, "sondern auch die Luft, die es durchdringt und umgibt". Beides, Material und Luft, seien "gleichwertig zu verarbeitende Elemente".

Ansonsten präsentiert die Ausstellung Fotos der Werke, etwa ein Porträt von Theodor Heuss. Belling und Heuss hatten sich bei einem Besuch des Bundespräsidenten in Istanbul getroffen. Heuss trägt zwar keine Brille, aber die Haare, die hat auch er nach hinten gekämmt.

© SZ vom 16.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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