Weltmarktführer:Auf einen Schlag

Messring baut die größte Crashtest-Anlage der Welt für Mercedes in Sindelfingen. Dort können Autos vom Kleinwagen bis zum Lkw auf ihre Sicherheit hin geprüft werden. Das Unternehmen hat fast alle Automobilhersteller als Kunden und ist Weltmarktführer

Von Otto Fritscher, Krailling

Es ist ein Großprojekt, das man wohl zu recht als solches bezeichnen darf. Die Grundfläche der Anlage ist so groß wie die Allianz-Arena in München. Nur, dass hier, bei Daimler in Sindelfingen, nicht Fußball gespielt wird, sondern dass Autos - salopp gesagt - gegen die Wand gefahren werden sollen. Ein Crash, bei dem es einen mächtigen Schlag tut. Die Szenerie ist taghell ausgeleuchtet, der Aufprall wird von Highspeed-Kameras, die 1000 Bilder pro Sekunde machen, festgehalten, und natürlich werden alle Daten gemessen und protokolliert. Wie dies auf einer Crashtest-Anlage zum Zwecke der Verkehrssicherheit üblich ist. "Bei Mercedes, das ist allerdings die größte Anlage, die wir je gebaut haben", sagt Dierk Arp.

Und das will schon etwas heißen, denn die Kraillinger Firma "Messring", deren Gesellschafter und Geschäftsführer Dierk Arp ist, hat schon mehr als 100 Crashtest-Anlagen in aller Welt gebaut, und jedes Jahr kommen fünf, sechs neue dazu. "Wir sind Weltmarktführer, was die Projektierung und den Bau von Crashtest-Anlagen betrifft", sagt Arp, und er sagt es irgendwie ziemlich beiläufig. Wie groß der Vorsprung von Messring wirklich ist, wird an der Zahl der Anlagen deutlich, die die Konkurrenz-Firmen gebaut haben: Diese liegen im einstelligen Bereich. "Zu unseren Kunden gehören nahezu alle Automobilhersteller", sagt Arp. Und bis auf Afrika sind auf allen Kontinenten Crashtestanlagen von Messring installiert. Demnächst wird in Doha in Katar die erste im Mittleren Osten in Betrieb genommen, nicht bei einem Autohersteller, den es dort nicht gibt, sondern an einer Universität.

Geplant werden die Anlagen in der Unternehmenszentrale, die seit dem Jahr 2000 im Kraillinger Gewerbegebiet KIM liegt. Rund 100 Mitarbeiter hat das Unternehmen dort, das zwei Gesellschaftern gehört - neben Arp ist Robert Weber der zweite. Die meisten Mitarbeiter sind Ingenieure verschiedener Fachrichtungen, zumeist Männer, deren Domäne die Autobranche immer noch ist. Immerhin gibt es aber auch zwei Ingenieurinnen. "Wir würden uns freuen, wenn wir hier noch ein wenig aufstocken könnten und noch mehr Ingenieurinnen eine Karriere bei uns anstreben", so Dierk Arp.

Eng geht es her, in den verschachtelten Büros und Entwicklungslabors. "Wir sind gewachsen, haben aber immer noch den gleichen Platz wie vor 15 Jahren", erklärt Arp. Im Erdgeschoss einer Halle hat Messring eine eigene Crashtest-Anlage, die allerdings nicht allzu oft in Betrieb ist. "Wir testen meist direkt vor Ort bei den Kunden. Hier bei uns ist es ist doch so beengt, dass wir immer erst ausräumen und umräumen müssen", sagt Arp und lacht. Der Schlitten - so heißt das Gefährt, auf dem zum Beispiel Kindersitze oder Dummies, Messpuppen also, befestigt und mit einer Vielzahl von Sensoren bestückt werden, kann auf bis zu 80 Stundenkilometer beschleunigt werden. Und das auf einer Strecke von weniger als 100 Metern. Der Schlitten läuft in einer Art Gleis, bevor er mit dem Aufprallblock unsanft in Berührung gerät. "Um die nötige Energie von einem Megawatt zu bekommen, müssen wir draußen ein Stromaggregat im Container aufstellen", sagt Arp. Andernfalls gingen vermutlich im Würmtal die Lichter aus. Gut möglich, dass sich Messring in den nächsten Jahren nach einem neuen Standort umsehen muss, um der Raumnot Herr zu werden. "Wir wollen aber in der Gegend hier bleiben", sagt Arp. Konkrete Pläne gebe es noch nicht.

Messring produziert Crashtestanlagen

Bereit für den Crashtest: ein Dummy.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Gebaut werden die Crashtest-Anlagen indes zumeist nicht bei Messring in Krailling. Die einzelnen Komponenten werden von mittelständischen Firmen, zum Teil in der Region, zum Teil in Deutschland und dem benachbarten Ausland, gebaut - und zu einer Art Vorabkontrolle nach Krailling geliefert. Bevor sie an den Einsatzort verfrachtet werden, in aller Regel bei den Automobilherstellern. Die Kosten für eine Anlage liegen - je nach Größe und Komplexität - zwischen 500 000 und 20 Millionen Euro. Auch für den Service ist Messring zuständig. "Früher mussten wir für jede Schraube irgendwo hinfahren, heute kann man vieles über Ferndiagnose und Fernwartung machen", erklärt Wolfgang Rohleder, der den Vertrieb leitet. Nur mit dem Verbleib einer Anlage sind die Manager unzufrieden: Sie liegt irgendwo in Indien, in Containern verpackt, und wartet auf ihren Aufbau, der offenbar nie mehr erfolgen wird. Was macht den Erfolg von Messring aus? Zum einen sei es die jahrzehntelange Erfahrung, sagt Arp. Und dann wohl auch die Tatsache, dass das Unternehmen die komplette Anlage planen, bauen und in Betrieb nehmen kann. "Fast die gesamte Anlage", korrigiert sich Arp, denn einzig die Highspeed-Kameras, mit denen der Aufprall festgehalten wird, stammt nicht von Messring. Und auch die Dummies, die Messpuppen, die dann den Autofahrer simulieren, werden zugeliefert, allerdings von Messring mit der Sensorik bestückt. Sogar die Software, die alles protokolliert und auswertet, wird in Krailling programmiert. Alles aus einer Hand quasi, und dazu kommt, dass "made in Germany" immer noch weltweit als Qualitätssiegel gilt.

Auch mit Universitäten arbeitet Messring zusammen. Zum Beispiel mit der Technischen Hochschule Ingolstadt. In einem Forschungsprojekt wird eine Art Roboter, der ähnlich wie ein Mensch laufen kann, entwickelt. Er wird an Seilen geführt, und er soll einen Fußgänger bei Crashtests simulieren. Mit dem Roboter sollen aktive Sicherheitssysteme im Auto getestet werden, die schon vor einem potenziellen Unfall aktiv werden, um mögliche Crashs zu verhindern oder deren Folgen abzumindern. Etwa dann, wenn ein Fußgänger über einen Zebrastreifen geht, der Autofahrer dies nicht bemerkt, und die Elektronik eine Bremsung einleitet.

Die Bedeutung von Assistenzsystemen wird weiter steigen - und damit auch der Testbedarf. Dazu kommen gesetzliche Vorschriften, die nicht nur die Autoentwickler, sondern auch Messring vor neue Aufgaben stellt. Ziel ist es, mit einer Crash-Anlage möglichst viele Arten von Unfällen simulieren zu können. Das reicht von einem Frontalaufprall bis hin zu einer Kollision im Gegenverkehr, mit einer Überdeckung von 40 Prozent - was das weltweite Standard-Testverfahren darstellt. Die Techniker von Messring beschäftigen sich aber nicht nur mit der Sicherheit von Autos. In der Zukunft könnten auch Motorräder, Trambahnen oder sogar Eisenbahnzüge gecrasht werden. Und es gibt noch andere Einsatzgebiete für das Knowhow der Ingenieure. Sogar die Belastbarkeit von Castor-Behältern für nukleare Abfälle wurde in der Bundesanstalt für Materialwesen mit Messring-Technik getestet.

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