Konzert:Sonatenabend mit Tiefgang

Gilching CPGymnasium: Christoph Declara

Die Fülle der Emotionen nötigte Declara zu Wendungen, Umschwüngen und Stimmungswechseln: Die stille Moll-Erzählung des Andante mit effektvollen Wechseln zu poetischen Ausschweifungen offenbarte Leid und Wehmut, aber auch Sehnsucht des von Krankheit bereits stark gezeichneten Komponisten Schubert.

(Foto: Nila Thiel)

Zwischen beglückender Träumerei und düsterer Verzweiflung: Christoph Declara interpretiert auf Einladung des Kulturkreises Gilching die letzten Werke von Haydn, Beethoven und Schubert

Von Reinhard Palmer, Gilching

Sie stünden dort, "wo die Phantasie durch das traurige 'Allerletzte' nun einmal vom Gedanken des nahen Scheidens erfüllt ist", schrieb Schumann über die letzten Sonaten Schuberts zehn Jahre nach deren Vollendung und dem Tod des Komponisten. Im Grunde gilt dies für jeden Komponisten, der im fortgeschrittenen Alter noch einmal die Quintessenz seines Schaffens in einer bestimmten Gattung ziehen wollte. Schubert starb zwar mit nur 31 Jahren, die letzten Werke entstanden im Bewusstsein des krankheitsbedingt nahenden Todes. Wenn also der Pianist Christoph Declara sein Programm für den Kulturkreis Gilching in der Gymnasiumsaula "Die letzten Sonaten" betitelte, dann musste es eben um weit mehr gehen als um die Gattung der Sonate. Auf dem Programm standen Vermächtnisse für die Nachwelt, die ihrer Zeit voraus waren und bis heute stets eine anspruchsvolle interpretatorische Aufgabe darstellen.

In der Auswahl der Werke war die Chronologie nicht ohne Bedeutung: Der Weg von Haydn über Beethoven zu Schubert ist wie bei Streichquartetten ein Schreiten mit Siebenmeilenstiefeln in Richtung Romantik. Deutlich wurden hier auch die Unterschiede der Lebenslagen, in denen sich ihre Schöpfer befanden. Vor allem beim Erfolg verwöhnten Haydn, der die Sonate Es-Dur Hob. XVI:52 für die herausragende deutsch-englische Pianistin Therese Jansen (später Bartolozzi) komponiert hatte und dabei der Bestimmung adäquat aus dem Vollen der pianistischen Zauberkiste schöpfte. Für den aus Rosenheim stammenden und in Salzburg lehrenden Declara eine Steilvorlage, der Lust an der Anschlagsdifferenzierung großzügig nachzugeben. Schon die feierlich-brillante Eröffnung machte deutlich, dass es bei Haydn nicht etwa um einen Abschied gehen sollte. Als er seine letzten drei Sonaten vollendete, hatte er noch 14 Jahre ganz gut zu leben. Declara machte trotz Feinsinnigkeit und Detailverliebtheit bis ins perlende Filigran die Sonate denn auch zu einem Freudenfest der Pianistik, nicht ohne die Wärme und Empfindsamkeit eines Hammerflügels mitzudenken. Diese instrumentale Neuentwicklung erreichte bereits Haydn, wie dann auch Beethoven und Schubert.

Ein Faktor, der gerade bei den so wunderbar ebenmäßig perlenden Läufen doch eine stärkere plastische Durchbildung erlaubt hätte. Doch das Spiel von Declara entschlackte alle drei Werke, suchte Klarheit und Transparenz, was zwangsläufig Schlankheit und Leichtigkeit der Substanz herbeiführte. Das Beste dabei: Declara verfügt über einen großen Fundus spieltechnischer Ausgestaltungsmittel und begeisterte bei ihrem wohldosierten Einsatz mit Präzision und Zugriffsicherheit.

Schubert profitierte verstärkt in seinen vielen sinnierenden Passagen von der schlanken Linie. Aber Declara vermochte auch im Kontrast dazu die Wärme seines Gesangs mit runder, sonorer Substanz einzubringen. Die stille Moll-Erzählung des Andante mit dessen effektvollen Wechseln zur Dur-Seligkeit poetischer Ausschweifungen offenbarte Leid und Wehmut, aber auch Sehnsucht nach dem Leben des von Krankheit bereits stark gezeichneten Komponisten. Die Fülle der Emotionen nötigte zu Wendungen und Umschwüngen, zu plötzlichen Stimmungswechseln, zum feinsinnigen Changieren zwischen beglückender Träumerei und düsterer Verzweiflung. Declara vermochte den Bogen nicht nur eines jeden der vier Sätze, sondern auch des gesamten Werkes schlüssig zu spannen.

Dahingehend gibt es eine direkte Verbindung zu Beethoven, hatte Letzterer gerade in seiner Sonate op. 111 nur sieben Jahre vor Schubert dieses emotionale Auf und Ab innerhalb einer alles übergreifenden Dramaturgie in seiner Schicksalstonart c-Moll bereits vorgebildet. Dennoch blieb Declara der Gattung der Sonate verpflichtet und hielt sich der Epoche entsprechend in der freien Gestaltung zugunsten einer strafferen motivisch-thematischen Arbeit zurück. Im zweiten Teil, in der Arietta, erwies sich der disziplinierte Zugriff von besonderer Qualität, lenkte hier doch die unterschwellige emotionale Vitalität nicht vom raffiniert wogenden dramaturgischen Verlauf ab, der dann überraschend unspektakulär, ja geradezu resignativ ein definitives Ende fand. Es folgte lang anhaltender begeisterter Schlussapplaus - nach einem höchst berührenden Schubert-Finale war keine Zugabe möglich.

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