Konzert:Musik zum Schnuppern

Lesezeit: 2 min

Raffiniertes Spiel mit Vorstellungen: Pianistin Julia Ito und Flötist Utum Yang im Kurparkschlösschen in Herrsching. (Foto: Nila Thiel)

Das Duo Fantasie versucht in Herrsching, Musik mit Bildern und Düften verständlich zu machen

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Es gab nicht nur Teufelsgeiger. Auch die Flötisten hatten ihre Virtuosen im 19. Jahrhundert, die ihre Bravourstücke selbst komponierten, um spieltechnisch zu beeindrucken. Wie einst Paganini schrieb auch Giulio Briccialdi Opernparaphrasen und Variationszyklen über Liedthemen. Letzteres hob sich das Duo Fantasia, das koreanisch-japanische Paar Utum Yang (Flöte) und Julia Ito (Klavier), das seit fünf Jahren in Tutzing lebt, bis zum Schluss auf, um mit einem effektvollen Finale im Herrschinger Kurparkschlösschen lang anhaltenden Applaus zu entfachen. Der "Karneval von Venedig", dessen Thema als "Mein Hut, der hat drei Ecken" populär ist, hält mit seinen Variationen zwar keinen besonders spannenden Klavierpart parat. Doch die Akrobatik an der Flöte war schon beeindruckend. Briccialdi hatte den Flötenpart in mehreren Schichten angelegt, die raffiniert ineinander verflochten sind und die Yang in höchster Virtuosität klar und transparent darzulegen verstand.

Das Duo Fantasia arbeitet gerne thematisch auf sinnlicher Ebene, wie etwa auf CDs mit Titeln wie "Legenden" oder "Waldträume". Düfte nahm es sich für dieses Konzert vor, sprach aber auch von bildlichen Vorstellungen. Ein solcher Zugang zur Musik ist gewiss zuhörerfreundlich, zeigte aber auch seine kulturelle Abhängigkeit aufgrund von unterschiedlichen Hörgewohnheiten. In Franz Schuberts Sonate A-Dur D 664 für Klavier solo etwa, wo die Vorstellung einer duftenden Wiese und die diversen Naturklänge im Kopfsatz als pastorale Idylle durchaus hätte aufgehen können, wenn da nicht die dramatisch Verdunkelungen wären, die für unsere Ohren schon eher ins Abgründige reichen. Eine Schiffsreise auf launischer hoher See dem Scherzo op. 31/2 für Klavier solo von Chopin zu hinterlegen, erklärte nicht die mysteriöse Anfangsmotivik, konnte aber sonst gut herausgehört werden, vor allem in der betörend schönen Melodik über wogenden Arpeggien. Jedenfalls zeigte sich der Vortrag der Pianistin Ito, die sich mit einem Piano statt Flügel begnügen musste, reich differenziert in feinsinnigen Schattierungen, die sich für bildliche Vorstellungen bestens geeignet erwiesen. Letztendlich ist es nicht entscheidend, dass Interpreten und Zuhörer dieselben Assoziationen haben. Wichti ist, dass der Imagination Anknüpfungspunkte geboten werden. Davon lieferte das Duo reichlich. Ein weites Spektrum etwa in der Sonate f-Moll op. 120/1 von Brahms, die er in seiner Spätzeit als Nachtrag zu seinem Gesamtwerk für Klarinette und Klavier komponiert hatte. Mit der Flöte interpretiert kam mehr Leichtigkeit ins Spiel, aber auch sinnierende Poesie. Yang und Ito vermochten allerdings auch ihre Klangfülle zur symphonischen Sättigung hin anzureichern. Bildlichen Vorstellungen zu folgen, ermöglichte den beiden Interpreten vor allem klare emotionale Ausprägungen von intensiver Charakteristik. Etwa als aufwühlende Romantik in leidenschaftlicher Empfindsamkeit im Andante oder tänzerisch rhythmisiert und bewegt wogend im Allegretto grazioso.

Auch wenn Bach von programmatischen Inhalten weit entfernt war, ging das imaginative Konzept auch in seiner Sonate C-Dur BWV 1033 durchaus auf. Vielleicht weniger im Sinne von Bildern und Düften, als vielmehr deutlich ausgeprägten Charakteren, die von beiden Instrumenten gemeinsam modelliert in Form barocker Affekte Gestalt annahmen. Was die Düfte betraf, boten die Stücke französischer Komponisten für die Vorstellungen nahezu ideales Material, auch wenn es müßig wäre, für die jeweiligen Ausprägungen Gerüche zu benennen. Die Sonatine von Henri Dutilleux verzauberte jedenfalls mit impressionistischer Harmonik, gefühlvoll changierend zwischen beschwingtem und sinnierendem Duktus, dann auch symphonisch ausschweifend, bisweilen kapriziös, schließlich zu einem furiosen Finale drängend. Yang setzte die Erzählung solistisch in Iberts "Pièce" fort. Sein Bild der Lagerfeuerromantik ging vor allem in den legendenhaften Passagen auf. Das reichhaltige emotionale Auf und Ab sprengte die idyllische Vorstellung allerdings ins nahezu Visionäre, auch wenn dabei die melancholisch-sinnierende Narration überwog.

Dennoch erwies sich das Spiel mit Empfindungen und Vorstellungen insgesamt als sehr reizvoll. Die Duo-Variante von "Volière" aus "Karneval der Tiere" von Saint-Saëns in der ersten Zugabe - gefolgt von Mozarts Kleiner Nachtmusik - setzte noch ein vergnügliches Zwitschern ins Programm.

© SZ vom 20.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: