Konzert:Mit Tiefgang

Konzert: Alle Achtung: die Orchestermitglieder bei ihrem Gastspiel im Konzertsaal der Evangelischen Akademie Tutzing.

Alle Achtung: die Orchestermitglieder bei ihrem Gastspiel im Konzertsaal der Evangelischen Akademie Tutzing.

(Foto: Arlet Ulfers)

Acht Kontrabassisten des BR-Symphonieorchesters ersetzen mit ihren Instrumenten Gamben und einen ganzen Chor

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Ein monoinstrumentales Ensemble kann in der Regel nicht gerade mit klanglicher Farbigkeit berauschen, aber es vermag im bestem Fall höchstmögliche Homogenität zu erreichen. Solche Ensembles sind schon seit vielen Jahren hoch im Kurs. Und wer schon einmal Bassiona Amorosa gehört hat, weiß, dass auch Kontrabässe im mehrköpfigen Verbund großartige Musik machen können.

Mehr noch: Gerade Kontrabässe mit ihrer klangdynamischen Tonerzeugung und einem enormen Tonumfang sind geradezu dafür prädestiniert, ohne weitere Instrumente bestens auszukommen. Acht Musiker aus der Kontrabasssektion des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks taten sich denn auch zusammen, kammermusikalische Feinarbeit zu wagen.

Die ungewöhnliche Besetzung zog reichlich Besucher in die Evangelische Akademie Tutzing, die sich von der enormen Bandbreite der Ausdrucksmöglichkeiten dieses Instruments überzeugen ließen. Darauf war das Programm des Abends geradezu ausgelegt, fand sich doch darin ein weites Spektrum an Ensemble-Konstellationen mit Musik aus immerhin fünf Jahrhunderten.

Die angekündigte Anmutung eines Gamben-Consorts in Giovanni Gabrielis "Canzon per sonar primi toni a 8" aus "Sacrae Symphoniae" von 1597 fand sich in der Interpretation im Oktett voll und ganz bestätigt. Trotz satter Substanz hatte die Interpretation nichts Gravitätisches an sich. Dabei half gewiss auch die Doppelchörigkeit in dem Werk, die in den Dialogen der beiden Quartette für Klarheit und Transparenz sorgte, obgleich die grummelnde Klangmasse doch schon sehr voluminös flutete. Gerade in den hohen Lagen kam der Klang dem der Gamben sehr nahe, was der alten Musik einen authentischen Anstrich gab.

Obgleich Ensemblemitglied Philipp Stubenrauch die Chaconne aus Bachs Violinpartita d-Moll BWV 1004 selbst arrangiert hatte, schien die Balance für dieses Werk noch nicht ganz gefunden zu sein. Immer wieder tauchten Passagen auf, deren harmonische Verwicklungen irgendwie nicht ganz aufgehen wollten, zumal die Intonation nicht immer so sauber erklang, wie es in einem Quartett absolut notwendig ist, um mit Klarheit zu überzeugen.

Dass Giovanni Bottesini selbst Kontrabassist war, ist an seiner Komposition deutlich abzulesen, sind doch gerade seine Rhythmisierung und Phrasierung, vor allem aber das feinsinnige Farbenspiel klar am Instrument ausgerichtet. Das "Gran Duetto" in G-Dur für zwei Kontrabässe erntete schließlich den größten Applaus, was einerseits gewiss dem wunderbaren romantischen Gesang geschuldet war, den Kontrabässe schon tief unter die Haut gehen lassen können, andererseits aber auch der mitreißenden Polacca als Schlusssatz. Beschwingt und mit musikantischem Schmiss interpretiert, aber auch schönmelodisch ausgesungen, immer wieder mit Rubato und improvisatorischer Anmutung aufgelockert, vermochte das Werk sehr intensiv zu fesseln. Und das funktionierte auch im Finale des Konzerts mit einer "Carmen-Fantaisie" von Bizet in der Bearbeitung von Bernard Salles (geboren 1954), zumal der Bekanntheitsgrad des Werkes da ein deutliches Wörtchen mitzureden hatte.

Anders die neuen Werke, die man bis dato hier wohl noch nie gehört hat. Etwa "Molto Adagio" aus "Silva Caledonia", die der britische Komponist Gavin Bryars 2006 vom Männerchor auf acht Kontrabässe übertrug, nachdem er die Uraufführung aus 60 Männerkehlen eines baltischen Chores gehört hatte. Grandios düster und legendenhaft mystisch griffen die acht Kontrabassisten diesen imposanten Eindruck auf, schwangen sich im Höhepunkt zur sehnsuchtsvollen Elegie auf, um sie zum Schluss in die kaledonischen Wälder entschwinden zu lassen.

Sechs, zum Teil auch perkussiv agierenden Kontrabässe brauchte indes Jörg Widmann für sein "Teiresias", in das er mit Clustern "Happy birthday" (zum 75. Geburtstag von Claudio Abbado) einflocht. Eine Vision des blinden Sehers? Im ersten Teil überzeugte das Werk allerdings mit weit mehr Kraft und Expressivität. Eigenschaften, die auch "Kshara" (1975) für zwei Kontrabässe von Giacinto Scelsi auszeichneten. Doch stattete der italienische Komponist seine Musiker im Grunde mit jeweils nur einem Ton aus, den die beiden Interpreten mit einer erstaunlich reichen Bandbreite spieltechnischer Differenzierung zu modellieren verstanden. Lang anhaltender Schlussapplaus und eine spaßige volkstümliche Zugabe - auf einem Kontrabass mit vier Greifern und vier Streichern.

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