Konzert:Instrumentale Verstrickungen

Das Ensemble Clemente spielt in Dießen eine Serenata Barocca

Von Reinhard Palmer, Dießen

Ohne Kontrabass trat das Ensemble Clemente in Dießen auf. Das bedeutet normalerweise den Verzicht auf Fülle und Substanz. Da im gut besuchten Theatersaal des Augustinums aber wegen der schwierigen Akustik die Lautsprecheranlage zur Unterstützung notwendig ist, erwies sich die Verschlankung als vorteilhaft, denn sonst wäre der Kontrabass zu dominant geraten.

Das wäre fatal gewesen, da Kolorit und Atmosphäre von der Balance der Stimmen abhängen. Formal gesehen war genau dies das Thema der "Serenata Barocca": die Abkehr vom Rollenspiel zur Gleichberechtigung der Stimmen und damit zur Polyphonie, die das Ensemble Clemente in diversen instrumentalen Kombinationen auskostete.

Die barocke Musikliteratur hält viele Schattierungen der Kammermusik parat, die das Ensemble in Dießen lustvoll aufgriff. Die historische Aufführungspraxis ist schließlich kein Dogma, sondern ein Versuch, sich in die Werke im Rahmen der jeweiligen Entstehungszeit einzufühlen, um sie für heutige Hörgewohnheiten zu übersetzen. Die Unterschiede in der kompositorischen Qualität waren nicht zu überhören, doch das ist kein Grund, die Werke der weniger bekannten Meister zu ignorieren, hatten sie doch immer wieder Passagen großartiger Balance, schöner Melodik und harmonischen Spannungsaufbaus.

Zum Beispiel Tomaso Antonio Vitali in der Ciaccona g-Moll, die in Dießen wohl in der Überarbeitung des Geigers Ferdinand David von 1860 gespielt wurde. Der melodische Gesang erklang mit romantischer Melancholie in nahezu gleichberechtigter Partnerschaft des Cembalos. Die continuo-begleitete Originalversion dürfte schlichter gewesen sein, doch auch schon kühn in den Wendungen der Rhythmik und Charakteristik, die Peter Clemente (Violine) und Nicole Heartseeker (Cembalo) schlüssig auf Linie brachten.

Der Venezianer Alessandro Marcello war ein Universalgelehrter, der in Mathematik, Philosophie und den Künsten unterwiesen wurde und ein beachtliches kompositorisches Werk hinterließ. Sein höfisch-feierliches Oboenkonzert d-Moll erwies sich schlicht im Ensemblesatz, zeigte aber Stärken in der thematischen Entwicklung, die Giorgi Gvantseladze (Oboe) in weiten Linien mäandern ließ.

Die kammermusikalischen Werke bauten auf das enge Zusammenspiel. Intensiv etwa in der Triosonate a-Moll von Antonio Vivaldi, der in den Oberstimmen Flöte (Christoph Bachhuber) und Violoncello (David Pia) in fesselnde Dialoge verstrickte. Vivaldis Allegro-Sätze überzeugten mit forschem Auftritt, leicht und spritzig, im Finale in bravouröser Virtuosität. In seiner Sonate B-Dur für Violoncello und Cembalo kam straffe Rhythmisierung hinzu, im Schluss-Allegro recht scharf geschnitten, aber auch tänzerisch beschwingt.

Die Entwicklung der barocken Auffassung kam in den beiden voll besetzten Rahmenwerken des Programms zur Geltung. Setzte Telemann in seinem Quartett G-Dur aus der Tafelmusik Nr. 1 noch auf das continuo-begleitete Terzett aus Flöte, Oboe und Violine, so schenkte Johann Christian Bach, der jüngste Sohn des Großmeisters, im Quintett D-Dur op. 11/6 dem Cembalo als obligatem Instrument große Aufmerksamkeit. Heartseeker bekam hier die Möglichkeit, vom Ensemble begleitet, ihren Solo-Part immer wieder bravourös wirbeln zu lassen.

Auch sonst wies der Ensemblesatz Bachs viel Sinn für fesselnde Kombinationen im Farbklang, den das Ensemble Clemente beim Konzert in Dießen einfühlsam ausbalancierte. Frenetischer Applaus folgte und wurde mit einem mitreißenden Telemann-Satz belohnt.

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