Konzert:Grandiose Spieltechnik

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Gitarrist Paul Brändle und Saxofonist Florian Trübsbach zeigen durchaus eigene Spielarten. (Foto: Nila Thiel)

Charly Antolini-Quartett begeistert im Sudhaus Seefeld

Von Reinhard Palmer, Seefeld

Im Mai dieses Jahres ist der Schweizer Starschlagzeuger Charly Antolini 80 Jahre alt geworden. Ein Alter, in dem einem Menschen selten beschieden ist, noch Bäume rauszureißen. Antolini steht aber immer noch auf der Bühne - und nimmt seinen Altersbonus nicht im Geringsten in Anspruch. Dass es so ist, verdankt er wohl seiner grandiosen Spieltechnik, die ihm eine extreme Effizienz ermöglicht: maximaler Spieleffekt bei minimalem körperlichen Einsatz. Sein Spiel aus den Handgelenken ist dennoch kraftvoll, atemberaubend exakt, rasant und ungeheuer intensiv. Wegen Erkrankung fiel Pianist Mathias Bublath aus, für ihn sprang der 25-jährige Augsburger Gitarrist Paul Brändle ein, der sich mühelos in das Quartett einzufühlen vermochte, aber durchaus auch seine eigene, verhaltene und melodiösere Spielart einbrachte. Eine zusätzliche Tönung zum reichen Fundus, die dem Powerplay der Stammbesetzung mehr Musikalität beibrachte.

Charly Antolini kam es allerdings eher darauf an, selbst mit Balladen - etwa "Autumn in New York" oder "It's only a Paper Moon" - das Publikum von den Stühlen zu reißen. Das ist sein Erfolgsrezept, denn einer solchen spielfreudigen und lustvollen Art zu widerstehen, gelingt kaum jemandem, zumal dabei überaus sinnenfreudige, dadurch sehr ansprechende Klangkonstellationen entstehen können. Auf diese Verve ist seine Combo denn auch eingeschworen. Bassist Rocky Knauer gibt dabei dem vorwärts drängenden Schlagzeuger im ebensolchen Duktus die durchlaufende Bassunterlage, den energiegeladenen Puls. Für die Kraft der Thematik und Melodik zeichnet indes der Alt- und Sopransaxofonist Florian Trübsbach verantwortlich, der auch immer wieder in die härteren Register schaltete, um fast schon in Jazzrock mächtig Substanz aber auch atemberaubende Virtuosität heraufzubeschwören. Eine Inszenierung - so etwa in Gershwins "Strike up the Band" -, die letztendlich zufolge hatte, dass Antolinis solistische Steigerungen in Ekstase kulminierten, die der Altmeister erstaunlich lang durchhielt. Obgleich sich sein Spiel nahezu gänzlich in den kraft- und substanzvollen Registern bewegte, bot es doch eine üppige Vielfalt an Klang und Charakteristik, die Antolini allerdings weniger aus klangexperimenteller Einfühlsamkeit als aus Verdichtung der Textur und Präferenzen bestimmter Schlagzeugset-Teile gewann.

Aber der Abend sollte sich nicht rein instrumental entwickeln. Als Special Guest brachte Antolini die kanadische Sängerin Nina Michelle mit, die trotz ihrer zierlichen Erscheinung im glitzernden Minikleid mit einer kraftvollen, soulig-rauchigen Stimme überraschte. Mit Titeln wie "You hit the spot", "Black Coffee", "Love me or leave me" oder "Manhã de Carnaval" aus dem Film "Orfeu negro" sollten ihre Auftritte das Material liefern, kraftvolle Entwicklungen daraus zu gewinnen und ordentlich Feuer zu entfachen. Die reizvolle Stimme der Sängerin, noch mehr ihr meisterhafter Scat-Gesang, mit dem sie sich auf Duelle mit den Instrumentalisten einließ, brachte Variationsmöglichkeiten ins Spiel, die dem Powerplay feinsinnigere Nuancen entgegen hielt.

Euphorisch-phrenetische Ovationen waren jedenfalls garantiert. In Memoriam Fats Domino gab es auch eine beherzte Zugabe: "I'm walking".

© SZ vom 30.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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