Konzert:Das dadaistische Fest

"Kofelgschroa" überzeugen in Feldafing mit scheinbarer Nachlässigkeit und strohtrockenem Humor

Von Reinhard Palmer, Feldafing

Die Zeiten, als Musiker glaubten, ohne Marketing auskommen und ausschließlich mit ihrer guten Musik überzeugen zu können, sind längst vorbei. Bisweilen nehmen Bands kostspielige Dienste von Agenturen in Anspruch, die ihnen helfen, ein Image zu erfinden. Ein Branding sozusagen. Das ist mühsam und kostet viel Geld. Die vier Oberammergauer Musikanten von Kofelgschroa verzichten darauf.

Sie tun seit mehr als zehn Jahren rein gar nichts dafür, irgendeinen Eindruck zu erwecken. Keine Regung, minimalste Information, nach Möglichkeit unsinnig, unzeitgemäße Kleidung statt Outfit, wirre Haare statt Frisur, Edel-Trödel statt Musikinstrumente, Geplauder statt Rhetorik, Lethargie statt Coolness. Das Resultat: ein perfektes Image. Ja geradezu eine dadaistische Philosophie. Und der Bürgersaal Feldafing füllte sich auf Einladung des Kunst- und Museumsvereins Starnberger See wohl auch deshalb so gut, weil diese stoische, scheinbar unbeteiligte Art mit strohtrockenem Humor ins Schwarze trifft, und zwar bei einem großen Publikum, selbst in den fortgeschrittenen Semestern.

Da ist aber natürlich auch die Musik, die einst dem dadaistischen Manifest alle Ehre gemacht hätte. Zudem geprägt von nostalgisch aussehenden Instrumenten, wenn auch nicht gerade von musikalischer Klangschönheit. Aber auch das gehört zur nihilistischen Idee. Perfektion ist eben nicht das Ziel, vielmehr lebt die Musik vom Reiz des Provisorischen und Spontanen. Sozusagen geprägt von fingierten Unzulänglichkeiten, wie sie sich so einige der besten Vertreter der Neuen Volksmusik zueigen gemacht haben. Michael von Mücke an der Gitarre verstand es am besten, in linkischen Soli kongenial im Ungefähren zu bleiben und jeweils das tonale wie rhythmische Ziel nur knapp zu verpassen.

Kofelgschroa im Bürgersaal

"Mei Freindin is aus Venedig, mia seng uns recht wenig": das Quartett "Kofelgschroa" beim Auftritt im Bürgersaal Feldafing.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

In dieser gewollten Nachlässigkeit fanden sich allerdings viele ausgetüftelte Elemente. Allen voran eine Sprache, die nur nachrangig die ausgedrückten Inhalte zum Thema macht. Der sprachliche Duktus ist vielmehr für die Musik entscheidend. Seine Rhythmik, Melodie und Klangfarbe bestimmen geradezu die musikalische Ausprägung. Phrasen wie "odaabaüberOberammergauodaobaabaüberUnterammergau", "Heit kimmt da Hans zu mir", "in Baaz keast nei", "radl endlang s' Armasealastrassla nach Graswang / mei Freindin is aus Venedig / mia seng uns recht wenig" oder "ich, ich war verliebt in dich / doch heute bin ich froh, dass es nicht du geworden bist" sind nicht dazu gedacht, große Geschichten zu erzählen. Bisweilen sorgen sie mit ihren kuriosen bis absurden Aussagen für Lacher, doch in erster Linie geht es dabei um musikalische Qualitäten, mit denen das Ensemble in diversen Variationen vom Sologesang über Kanon bis zum dreistimmigen Chorus überzeugt.

Hinzu kommt, dass die Musiker allesamt verschiedene Instrumente beherrschen und damit die klangliche Vielfalt variieren können. Der geschmeidige Hüne an der Helikontuba, Martin von Mücke, durfte nur einmal zur Zither greifen, ist ja seine über zwei Stunden lässig souverän und swingend durchgezogene Bassunterlage unentbehrlich. Zumal dadurch wunderbare Bläserterzette und Soundscapes zusammen mit Flügelhon, Tenorhorn oder Trompete von Michael von Mücke und Matthias Meichelböck zustande kamen. Die vokale Führung fällt Maximilian Pongratz zu, der dabei am Akkordeon und einer harmoniumartig klingenden Heimorgel die dichten Begleitstrukturen beisteuerte.

Mit bitterernstem Gesichtsausdruck verlieh er im Gesang gerade den allerweltphilosophischen Aussagen Komik. Etwa in "Loopmaschine", wo es heißt: "Jeden Tag wird's Abend / und bis jetz is immer wieder morgn worn". Oder in "Annoraaq" mit dem weltbewegenden Vers: "Aus den Augen, aus dem Sinn / wo hab ich nur meinen annoraaq hin". Umso erstaunlicher wirkten unvermittelt eingeflochtene, poetische Phrasen. Etwa wenn es im Refrain von "Tropfen" hieß: "Es tröpfelt leise dein Gesicht / es spiegelt sich im Fensterlicht". Ja, in den Jungs steckt mehr, als sie selbst wahrhaben wollen. Das Publikum ließ sie jedenfalls erst nach der dritten Zugabe gehen.

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