Konjunktur:Volle Auftragsbücher

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Viele Handwerksbetriebe im Landkreis sind ausgebucht und müssen Kunden wochenlang vertrösten. Bei Ausschreibungen bewerben sie sich gar nicht mehr - zum Leidwesen von Gemeinden und Architekten

Von Sabine Bader, Starnberg

"Handwerk hat goldenen Boden", heißt ein altes Sprichwort. Und momentan ist der Boden wirklich besonders schimmernd golden. Egal ob Zimmerei, Schlosserei, Spenglerei oder Elektrounternehmen, die Auftragsbücher sind voll. Die Baukonjunktur floriert, und die Preise klettern in die Höhe. Sehr zum Leidwesen vieler Bauherrn und Eigenheimbesitzer, die einen Handwerker benötigen. Sie werden nicht selten um Wochen vertröstet. Auch Gemeinden kommen mit ihren Projekten mittlerweile in zeitliche Bedrängnis, ganz zu schweigen von den stetig steigenden Preisen.

"Wir sind sehr gut im Geschäft", sagt Liliana Gansneder aus Pöcking. Ihr Mann Ludwig Gansneder hat die Zimmerei 1995 von seinem Vater Anton Gansneder übernommen. Die 15 Mitarbeiter des Hauses, davon vier im Büro, sind mit Arbeit schwer eingedeckt. Gut, wenn ein Notfall anstehe, es irgendwo reinregnet, sei man natürlich sofort zur Stelle, sagt sie. Wenn etwas aber nicht dringlich sei, wie eine neue Dacheindeckung, müsse das Vorhaben bis zum Frühjahr warten. Doch es sei natürlich nicht schön, die Leute vertrösten zu müssen, gesteht sie ein.

"Voll ausgelastet" ist auch Florian Mayr. Der 46-jährige Schlosser aus Farchach arbeitet von Sonnenaufgang bis zum -untergang. Er fertigt Geländer, Toranlagen und kleinere Stahlbauten an. Seit 1890 gibt es das Unternehmen, das er vor 17 Jahren von seinem Vater und dieser zuvor von dessen Onkel übernommen hat. An Ausschreibungen beteiligt er sich nur selten, dazu läuft das Geschäft momentan auch ohne sie zu gut.

Gar nicht mit von der Partie bei Ausschreibungen ist Harald Fischer aus Sibichhausen. Dazu sei sein Betrieb mit nur einem Mitarbeiter einfach zu klein, sagt der 47-jährige Spenglermeister. Er fertigt viele Dacheindeckungen aus Edelstahl und anderen Metallen an.

Zu den großen Betrieben gehört Elektro Saegmüller aus Starnberg. 108 Mitarbeiter hat das Unternehmen, davon 23 Auszubildende. Die Firma legt großen Wert auf die Ausbildung junger Menschen und gibt auch denjenigen von ihnen eine Chance, deren Schullaufbahn nicht unbedingt geradlinig verlaufen ist. Firmenchef Gerd Zanker, 50, kennt den Markt. Sein Unternehmen beteiligt sich aus Prinzip nicht an öffentlichen Ausschreibungen, weil da immer der günstigste Bieter genommen werden muss. Aber Zanker steht auf dem Standpunkt: "Billig kommt langfristig zu teuer." Bestes Beispiel sei das Debakel mit dem Berliner Flughafen.

Die Kehrseite der Medaille kennt Clemens Pollock zur Genüge. Der Architekt aus Weßling, der in München arbeitet, verschickt zuweilen bei öffentlichen Bauten 20 Ausschreibungen und erhält kein einziges Angebot. Das frustriert ihn. Ein gutes Beispiel für eine ziemlich misslungene Ausschreibung ist der Umbau des Gilchinger Bahnhofs zur Kulturstation. Als die Kommune das Gebäude vor sieben Jahren für 400 000 Euro von der Bahn erwarb, war man davon ausgegangen, dass die Sanierung mit 500 000 Euro erledigt sein wird. Doch weit gefehlt. Jetzt ist die Gemeinde fast mit 1,6 Millionen Euro dabei. Ein sprunghafter Preisanstieg, der unter anderem daran liegt, dass bei den Schlosserarbeiten ein zweites Mal ausgeschrieben werden musste. Das billigste Gebot sei dann um ein Drittel höher gewesen. Da aber alle anderen Gewerke bereits vergeben waren, habe man in den sauren Apfel beißen müssen, um weitere zeitliche Verzögerungen abzuwenden. "Das ist Krieg", sagt Pollock über den Preiskampf - "Atompreise", wie er es nennt.

Steigerungen von zehn Prozent pro Jahr seien momentan an der Tagesordnung. So etwas habe er in den 25 Jahren, die er nun schon in der Branche tätig sei, noch nie erlebt. Nehme man den Baukostenindex in Deutschland, so müsse man für Thüringen rund 20 Prozent abziehen, aber dagegen für den Landkreis Starnberg 26 Prozent hinzurechnen. Für die Landeshauptstadt München seien es sogar fast 43 Prozent Zuschlag.

Dass aber nicht nur Gemeinden und Architekten derzeit in einem Dilemma stecken, weiß Pollock auch. Denn die Baufirmen hätten zwar randvolle Auftragsbücher, würden aber keine neuen Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt bekommen. "Das ist eben die Kehrseite der Vollbeschäftigung", sagt Pollock.

© SZ vom 30.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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