Kommentar:Scheitern gewünscht

Politische Verhältnisse vereiteln ein Jahrhundertprojekt

Von Peter Haacke

Man kann es gar nicht oft genug sagen: Das wichtigste Thema für Starnberg ist nicht etwa der Streit über Tunnel oder Umfahrung, die angespannte Finanzlage der Stadt oder die immer kurioser anmutenden Entscheidungen im Stadtrat, sondern die Seeanbindung. Hinter dem Wortgebilde steckt nämlich die Frage, wie sich die Kreisstadt am Ufer des Starnberger Sees an ihrer schönsten Stelle auf Jahrzehnte, wenn nicht sogar auf die nächsten Jahrhunderte hinaus präsentieren wird.

Seit die Eisenbahn Mitte des 19. Jahrhunderts eine Barriere zwischen Stadt und See gelegt hat, stören die Gleise. Lange schon gibt es Überlegungen, wie man diesen Umstand ändern könnte. Doch erst mit dem Bahnvertrag von 1987 schienen die Voraussetzungen gegeben zu sein, um verloren gegangenes Terrain zurückerobern zu können: Seit 2002 nahmen sich die politisch Verantwortlichen des Themas an. Am Ende des Prozesses stand im vergangenen Jahr ein Empfehlungspaket, das ein Arbeitskreis unter Mithilfe von Experten und der Bürgerschaft als Kompromiss erarbeitet hatte.

Doch seit April "ticken die Uhren anders", wie es Josef Pfister (BMS) ausdrückt. Im Stadtrat geben politische Gruppierungen den Ton an, die bei den großen Themen eher durch Destruktivität auffielen. B2-Tunnel? Nein. Seeanbindung? Niemals. Die politische Zielrichtung? Nebulös. Alles soll bleiben, wie es ist, sofern es nicht besser wird. Einziges Kriterium für die Allianz aus WPS, BMS, FDP und BLS: Der Bahnvertrag muss weg. Doch ein offiziell angekündigter Vertragsbruch bis Ende 2017 hätte wohl überaus kostspielige Folgen. Daher setzt man nun offenbar auf eine neue Strategie: Die millionenschwere Seeanbindung mit Gleisverlegung soll vor allem aus finanziellen Gründen scheitern. Das Motto: Wir würden ja gern, aber wir können eben nicht.

Zudem verhandelt man nicht mit dem Vertragspartner Deutsche Bahn, Alternativen wie den von Ingenieur Lutz Janssen vorgeschlagenen Tunnel diskutiert man nicht. Stattdessen will man Kosten für ein Projekt mit vielen Unbekannten ermitteln. Was bleibt, ist ein ungutes Gefühl: Eine weitgehend unerfahrene Mehrheit in den politischen Gremien ohne jegliche Sach- und Fachkompetenz maßt sich ohne juristischen Beistand an, laienhaft Entscheidungen mit größter Tragweite zu treffen. Die Zeit drängt aber und das Risiko des Scheiterns wächst.

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