Klimaschutz im Landkreis:Dunkelheit und Windstille

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Zehn Jahre nach der Gründung zieht der Energiewendeverein im Landratsamt eine gemischte Bilanz. (Foto: Georgine Treybal)

Nach zehn Jahren Energiewendeverein ist der Landkreis nicht so weit, wie er sich das vorgenommen hat: Der Anteil an Ökostrom liegt erst bei 13 Prozent

Von Ute Pröttel, Starnberg

Es herrscht Dunkelflaute beim Verein für Energiewende in Starnberg. In der Wirtschaft bedeutet Dunkelflaute, dass Windenergie- und Fotovoltaik-Anlagen nur sehr wenig Strom produzieren. Schuld daran sind Schwachwind und Dunkelheit. Genau in so eine Phase scheint das zehnjährige Bestehen des Vereins zu fallen, der die Energiewende im Landkreis Starnberg vorantreiben soll.

Jubiläen sind immer ein Anlass, sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. Doch Walter Kellner, Vorsitzender des Vereins Energiewende Landkreis Starnberg, eröffnete den Empfang zum Jubiläum am Freitagabend mit der Frage: "Haben wir das Lob verdient?"

Fest steht: Beim Klimaschutz und der Energiewende ist der Landkreis längst nicht so weit gekommen, wie er sich das vor zehn Jahren vorgenommen hatte. Im Dezember 2005 beschloss der Kreistag, sich bis zum Jahr 2035 vollständig aus erneuerbaren Energien versorgen zu wollen. Doch auch eine Verminderung des Energieverbrauchs und die effizientere Nutzung von Energie sind wichtige Voraussetzungen, um die Energiewende zu schaffen. Um diesen Zielen Nachdruck zu verleihen, wurde im November 2007 der Energiewendeverein gegründet. Von Beginn an arbeitete der kreisweit aufgestellte Verein eng mit dem Landratsamt zusammen. Und so fand auch die Feier zum zehnjährigen Bestehen im Landratsamt statt.

Zu den 29 Gründungsmitgliedern zählte auch Barbara Schärfl aus Herrsching. Die 56-jährige Architektin und Energieberaterin gehörte zehn Jahre lang dem Vorstand an. Ihr Amt als Schatzmeisterin gab sie bei den Vorstandswahlen in diesem Jahr ab. Als Mitglied der Fachgruppe Energieeffizienz und Energieeinsparung hat sie das Papier "Energieeffiziente Bauleitplanung" mit erarbeitet. Der Handlungsleitfaden ist mittlerweile in der vierten Auflage erschienen und führte Schärfl auch zu Vorträgen nach Ebersberg oder Passau. Die Hauptaufgabe des Energiewendevereins sieht sie darin, Aufmerksamkeit zu generieren. Wie es die Eisblockwette 2008 in Herrsching getan hat, als ein Kubikmeter Eis in einem bestens isolierten Haus auch nach 50 Tagen im Hochsommer noch nicht komplett weggeschmolzen war, oder der alljährlich von Verein und Landkreis verliehene Energiepreis. Ihr letztes großes Projekt war ein Kinospot, den der Verein 2017 realisierte und der in Zukunft regelmäßig in Starnberger Kinos laufen soll.

"30 Jahre, das erschien uns damals wie ein Ewigkeit", erinnert sich Landrat Karl Roth (CSU). Mittlerweile ist seine Euphorie von der Realität gebremst worden. Deswegen schlägt er schon heute vor, die Bilanz im Jahr 2035 nicht im Januar, sondern erst im Dezember auf die Agenda zu setzen. Seine Ernüchterung fußt auf dem alljährlichen Energiebericht des Landkreises. Erst 13 Prozent des Stromverbrauchs im Landkreis werden durch erneuerbare Energien gedeckt. Immerhin, im Jahr 2013 lag die Quote noch bei sieben Prozent. Und obwohl die Bevölkerung zunimmt, bleibt der Stromverbrauch gleich. Besonders hoch im Vergleich zu anderen Landkreisen ist die Zahl der Autofahrer: Auf 1000 Einwohner kommen in Starnberg 745 Autofahrer. "Wir müssen auch die Elektromobilität weiter stärken", sagte Roth.

Zum Festvortrag hatte der Energiewendeverein Hans-Josef Fell, Vater des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes und heute Präsident der Energy Watch Group eingeladen. Er attestierte dem Landkreis insbesondere mit der Errichtung der Windkrafträder an den Wadlhauser Gräben Pionierarbeit geleistet zu haben. In seinem Vortrag forderte Fell die weltweit hundertprozentige Umstellung auf erneuerbare Energien und bezog sich auf eine Studie, die gerade erst bei der Klimakonferenz in Bonn vorgestellt worden war.

Jüngst haben Klimagasemissionen erneut Rekordniveau erreicht. "Wir müssen vollständig Schluss machen mit diesen schädlichen Emissionen", sagte Fell. Das bedeutet Schluss mit Erdgas, Erdöl und Kohle. Anstatt die Erderwärmung auf maximal 2 Grad zu begrenzen, spricht Fell sogar davon die Erde abzukühlen. Die Umstellung auf erneuerbare Energien sei machbar und kostengünstiger als das konventionelle System von heute, behauptet die Energy Watch Group in einer aktuellen Studie und prophezeit, dass der Strom 2050 zum überwiegenden Teil aus Sonnenenergie gewonnen werde. Bei günstigen politischen Rahmenbedingungen könnte dieses Ziel sogar wesentlich früher erreicht werden.

Für die Solarkampagne, die der Energiewendeverein und das Landratsamt gerade starten, könnte dies frischen Wind bedeuten. Sie soll bereits in den kommenden Wochen den Kreistagsgremien vorgelegt werden und könnte die Dunkelflaute beim Energiewendeverein beenden.

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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