Klimaschutz-Aktion:Chefsache Stadtradeln

Das Starnberger Landratsamt hat die Koordination übernommen. Zahlreiche Firmen machen mit. In diesem Jahr will man vor allem Berufstätige und die Kommunalpolitiker aufs Rad locken

Von Christiane Bracht, Starnberg

Die ersten Radler sind schon wieder am Start. Für sie ist klar, vom Sonntag, 19. Juni, an muss alles andere zurückstehen. Denn dann wird wieder in die Pedale getreten, für die Gemeinde, den Landkreis, für Natur und Umwelt und natürlich für mehr und sicherere Radwege. Die Aktion Stadtradeln hat eben inzwischen ihre Fans. Knapp 5000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben im vergangenen Jahr mitgemacht - Sportler ebenso wie Alltagsradler, die nur kurze Strecken zurücklegen, um zum nächsten Supermarkt zu kommen. Auch heuer erhoffen sich die Initiatoren wieder viel Unterstützung, auch von Firmen, die sich an der Aktion beteiligen. Deshalb steht das Stadtradeln dieses Jahr unter dem Motto "Freizeit ab dem ersten Meter". Auf dem dazugehörigen Foto ist ein Mann im Anzug zusehen, der gerade auf sein Rennrad gestiegen ist, um von seiner Firma loszuradeln. "Wenn Pendler mit dem Rad zur Arbeit fahren, bringt das auf den Straßen die meiste Entlastung", erklärt Mitinitiator Gerhard Sailer die Idee. Im übrigen beginne dann die Freizeit sofort, wenn man aus dem Büro kommt, weil man die Natur und die Bewegung gleich genießen könne. TQ Sytems und 3M Espe beispielsweise beteiligen sich schon seit Jahren am Stadtradeln. Während der drei Wochen, in denen Kilometer gezählt werden, sind die Mitarbeiter mit Feuereifer dabei. Am Mittagstisch ist es Thema Nummer eins. Es gibt sogar interne Wettbewerbe, welche Abteilung am fleißigsten ist. Und für die Firmen ist es ein Aushängeschild in Sachen Umweltbewusstsein. Auch zahlreiche kleinere Firmen radeln gern mit. Das Stadtradeln wirkt schließlich auch teambildend. Allerdings fiel es den Initiatoren nicht immer leicht, Betriebe für ihr Vorhaben zu begeistern. Inzwischen setzen sie ihre Hoffnung auf den Chef der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (Gfw) Christoph Winkelkötter, der ihnen versprochen hat, für das Stadtradeln zu werben.

Noch schwieriger als die Firmenakquise gestaltet sich jedoch die Begeisterung der Kommunalpolitikern. Nur wenige Gemeinde- beziehungsweise Stadträte sind bereit sich, für die Aktion in die Pedale zu treten. Im vergangenen Jahr versuchte Sailer die Politiker mit seiner Idee "Chefsache Radverkehr" besser einzubinden. Doch der Erfolg war sehr mäßig. Nur drei Bürgermeister überhaupt machten mit. Der Weßlinger Rathauschef Michael Muther wollte sich um eine Beleuchtung auf dem Radweg zwischen Aldi und dem DLR kümmern und eine Radverbindung an der neuen Umgehungsstraße schaffen, die der Planer außer acht gelassen hatte. Ein Jahr später ist beides endlich beschlossen, muss aber noch umgesetzt werden. Die Starnberger Bürgermeisterin Eva John wollte einen Fahrradschutzstreifen an der Hauptstraße einrichten und ihre Wörthseer Kollegin Christa Muggenthal einen Streifen an der Ortsdurchfahrtsstraße. Beides ist nun gescheitert, entweder gehen Parkplätze verloren, was Geschäftsleuten nicht behagt, mal wird die Straße zu eng, sodass das Landratsamt sein Veto einlegt, um den Verkehrsfluss der Autofahrer nicht zu bremsen. "Es ist ein Trauerspiel", sagt Sailer enttäuscht. Eine Neuauflage dieser Aktion wird es deshalb nicht geben.

Heuer wollen die Initiatoren des Stadtradelns den Enthusiasmus der Kommunalpolitiker anders ankurbeln: Das Preisgeld des Landrats in Höhe von 2000 Euro soll dieses Jahr an die Gemeinde gehen, deren Kommunalpolitiker die meisten Kilometer mit dem Rad gefahren sind. Im vergangenen Jahr wurde die Gemeinde mit den meisten Radkilometern pro Einwohner ausgezeichnet: Weßling gewann - nicht nur im Landkreis, auch bundesweit.

"Es kommt in der Bevölkerung anders an, wenn Gemeinderat und Bürgermeister dahinter stehen", weiß Sailer. Aber die Einstellung der Kommunalpolitiker zum Stadtradeln hat sich inzwischen trotz einer gewissen Trägheit sich selbst auf den Sattel zu schwingen, deutlich zum Besseren gewendet. Inzwischen müssen die Ehrenamtlichen längst nicht mehr alles selbst organisieren. Die Hauptarbeit hat das Landratsamt übernommen und die Gemeinden kümmern sich um die Verteilung von Flyern und Plakaten. Trotzdem: "In der Kommunalpolitik bewegt sich vieles sehr, sehr langsam", sagt Sailer. Manch einen Stadtradler hat das bereits im vergangenen Jahr abgeschreckt. Um langfristig etwas verändern zu können, muss man jedoch aktiv bleiben.

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