Kirchensanierung:Alles muss raus

Der aufwendige Umbau der evangelischen Christuskirche in Tutzing hat am Dienstag begonnen.

Von Gerhard Summer, Tutzing

Fast alles hat seine Liebhaber gefunden. Eine kleine IT-Firma aus München erwarb Stühle aus dem Tutzinger Gotteshaus, um damit eine Kantine einzurichten. Ein Eventmanager sicherte sich Bänke en gros für seinen Partystadel nahe Wasserburg am Inn. Viele Privatleute nahmen für zehn Euro ein Kissen mit, weil auch sie ein Stück Kirche mit nach Hause tragen wollten. Und das alte Taufbecken, das Lesepult und der Altar sind für eine Kirche in Bosnien-Herzegowina bestimmt, deren eigene Prinzipalstücke bei einem Brand zerstört worden sind.

Geht hinaus in alle Welt? Vielleicht ist es nicht die ganze Welt, wie es im Markus-Evangelium steht. Aber wenn die 1930 erbaute evangelische Christuskirche in ein paar Tagen leer geräumt ist, wird ihr Inventar immerhin bis nach Südosteuropa verstreut sein. Am Montag haben die Vorbereitungen für die lange ersehnte Sanierung des kleinen, auf einer Anhöhe stehenden Gotteshauses begonnen. Bis zu acht Leute sind zeitweise in dem eisig kalten Bau zugange, zu den vier Handwerkern gehört auch der Tutzinger Hermann Bunecsak. In den Achtzigerjahren hatte der Elektromeister die Beleuchtung der Kirche installiert, inzwischen ist er im Ruhestand. Noch sieht es nicht nach Großbaustelle aus. Am Eingang stapeln sich Gesangsbücher, an einer Wandseite sind Dutzende von Elektrostrahlen aufgereiht, die einst unter den Kirchenbänken montiert waren und für einigermaßen wohlige Temperaturen sorgen sollten. Stromfresser natürlich. Und mittendrin steht Mackensen, kümmert sich um die Verpackung einer Johannes-Figur, die eingelagert werden soll, und begrüßt eine junge Frau aus Pfaffenhofen an der Ilm, die ihrem Sohn ihre Kirchenstühle abholen will. Sechs Stück hat sie reserviert, auf gut Glück, "ich mag Überraschungen". Und die Farbe, dieses Tarngrün? "Wir haben einen Bauernschrank genau in der Farbe", sagt die Käuferin und lächelt.

Bald wird es laut werden in der Christuskirche: Der alte Klinkerboden kommt komplett raus, und die Bauarbeiter werden ein Gerüst aufbauen, weil eine neue zweite Decke mit integrierter Beleuchtung eingezogen und die seitlichen Holzemporen verkleidet werden sollen. Von dem unvollendeten Kunstwerk auf der bisherigen Holzbalkendecke wird dann nichts mehr zu sehen sein. Es wird erhalten, aber zugleich dem Blick entzogen. Warum das puzzleartige Gemälde mit geschwungenen Flächen in Schwarz, Weiß und Gelb nicht fertig wurde? Es habe Streit mit dem Künstler gegeben, sagt Mackensen.

Bis Ende November dieses Jahres soll der Umbau nach den Plänen des Allgäuer Bildhauers Christian Hörl beendet sein. Hörl zielt auf einen flexiblen "Kirchenraum für alle Fälle" ab. Damit die Sanierung gelingt, lädt Pfarrerin Wilhelm am Montag, 13. April, zu einem Gebet mit Jazz in der leeren Kirche ein (Beginn: 19.30 Uhr). Ob Mackensen bis dahin die letzten Stücke an den Mann gebracht hat, die Hängeleuchten? Gut möglich, er will die Stücke bei Ebay einstellen.

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