Kirche:Abschied für Pfarrerin mit Leib und Seele

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Zauberhafter Abschied: Lika Gerhard, die einst von Ulrike Wilhelm getauft worden ist, überreicht der Pfarrerin ein Geschenk (rechts Dekan Axel Piper). (Foto: Nila Thiel)

Mehr als 200 Gläubige sagen Ulrike Wilhelm in bewegendem Gottesdienst in Tutzing Lebewohl. Die 57-Jährige wechselt nach Garmisch-Partenkirchen.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Tutzing

Der Schlüssel für die schwere, alte Türe der Christuskirche in Tutzing ist wunderschön geschmiedet. "Pfarrer spielen oft eine Schlüsselrolle, ob die Türe der Kirche aufgehen kann oder verschlossen bleibt", sagt die evangelische Pfarrerin Ulrike Wilhelm und hält den Schlüssel hoch, bevor sie ihn der Vertrauensfrau Gudrun Willbold übergibt. Mit der Schlüsselübergabe während des Abschiedsgottesdienstes am Sonntag endete offiziell die Tätigkeit der in Tutzing überaus beliebten Pfarrerin. Zwölf Jahre hat Ulrike Wilhelm in der Gemeinde gewirkt. Die Pfarrerin wird nach Garmisch-Partenkirchen wechseln. Damit erfüllt sich die 57-Jährige einen persönlichen Wunsch. Die sportliche Pfarrerin lief schon Marathon, fährt Mountainbike und klettert gerne. Bei der neuen Pfarrstelle ist sie unter anderem auch für Berggottesdienste zuständig.

Sie stehe an der Schwelle zwischen Traurigkeit und Vorfreude, sagt sie. Spätestens bei dem bewegenden Song "Amazing Grace" der Solistin Anahit Abgarjan war der Pfarrerin, aber auch den Gläubigen in der proppenvollen Kirche anzusehen, dass der Abschied nicht leicht fällt. Der Gottesdienst wurde musikalisch untermalt vom Kirchenchor "Herr Käthe" und von Solisten wie Thomas Bouterwek am Saxophon. Katholische Missionsbenediktinerinnen spielten im Orchester mit. Und neben Bürgermeistern und Pfarrern aus den Nachbargemeinden waren auch Wilhelms Amtskollegin Dorothee Geißlinger-Henckel sowie der katholische Pfarrer Peter Brummer anwesend.

Die 200 Sitzplätze in der unter Wilhelms Ägide sanierten Kirche waren bereits vor mehr als einer Woche vergeben. Obwohl der Gottesdienst im Gemeindesaal nebenan übertragen wurde und im Altarraum noch mehrere Stuhlreihen dazugestellt worden waren, mussten sich noch zahlreiche Gläubige mit einem Stehplatz begnügen.

"Ich weiß, es fällt Ihnen schwer, die Pfarrerin ziehen zu lassen", räumte Dekan Axel Piper ein. "Sie ist eine Überzeugungstäterin, eine Pfarrerin mit Leib und Seele." Ulrike Wilhelm habe weit über Tutzings Grenzen hinaus gewirkt, sagte Piper und verwies auf ihre Tätigkeiten als Vertrauenspfarrerin, Rundfunkpredigerin und ihre Aktivitäten in dem Solidaritätsprojekt gegen Rechtsextremismus "Bunt statt braun". Wilhelm verstehe es, Menschen zu motivieren und mitzunehmen, so der Dekan. Während Wilhelm nach Garmisch-Partenkirchen zu dem "Ort ihrer Leidenschaft" gehe, in dem schon ihre Großeltern gewohnt hatten, kommt auf die Tutzinger Kirchengemeinde laut Piper die "Scheußlichkeit einer Vakanz" zu. Denn ein Nachfolger für die Pfarrerin ist noch nicht in Sicht. Es könne sein, dass die Pfarrstelle erst im September wieder besetzt werde, sagte er. So lange werden Pfarrer Michael Stein und Diakon Ralf Tikwe aus der Nachbar-Kirchengemeinde Feldafing-Pöcking die Vertretung übernehmen. Piper rief die Gläubigen dazu auf, die Vakanz dennoch als Chance für einen Neuanfang zu sehen.

Pfarrerin Wilhelm meinte rückblickend, in ihrer Zeit in Tutzing habe sie viele Male kleine Wunder erlebt, habe kostbare Beziehungen und Freundschaften geschlossen. Aber es habe auch Zeiten gegeben, in denen Gott weit weg gewesen sei, etwa bei ihrer Scheidung, beim Atomunfall in Fukushima oder wenn sie mal wieder zu viele Termine hatte und keine Freiräume mehr. Bei den Tutzinger Gläubigen wird Pfarrerin Wilhelm auf jeden Fall eine große Lücke hinterlassen. "Ich bedauere es sehr, dass sie geht, weil sie eine wirklich liebenswerte Person ist", sagte Manfred Benzenberg nach dem Gottesdienst. Georg Lyko kennt Wilhelm schon aus der Zeit, als sie noch Pfarrerin in Icking war. Als er seinem Enkel empfohlen habe Theologie zu studieren, habe er Pfarrerin Wilhelm als Vorbild genannt, sagte der 84-Jährige.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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