Kabarett:Gnadenlos witzig

Helmut Schleich verschont bei seinem Auftritt in Gauting nichts und niemanden.

Patrizia Steipe ;

Der traut sich was. Aber darf der das überhaupt? Den Papst imitieren? Witze über Terroristen reißen? Die Wiedervereinigung bedauern? Die CSU vorführen? Darf er. Der Kabarettist Helmut Schleich wirkt eigentlich wie ein ganz gemütlicher Münchner. Bierbauch, breiter Dialekt - ein umgänglicher Typ, möchte man meinen. Aber der Schein trügt. Schleich teilt bei seinem Auftritt im Gautinger Kulturhaus Bosco aus und zwar ordentlich. Sein politisches Kabarett kennt keine Tabus, es macht vor nichts und niemandem Halt, verschont weder Tote und die Lebendigen schon gar nicht, sei es Papst Johannes Paul II., Helmut Schmidt oder Franz Josef Strauß. Bei Schleich geben sich die bundesdeutschen Politgrößen ein Stelldichein im Sekundentakt.

Gauting Bosco

Mit Bierbauch und breitem Dialekt wirkt Helmut Schleich wie ein ganz gemütlicher Typ. Doch der Schein trügt. Foto: Georgine Treybal

(Foto: Georgine Treybal)

An seinen Historiker-Stammtisch, der stark an den Musikantenstadl erinnert, lässt Schleich in Personalunion Rechts- und Linksradikale zu Wort kommen. Mal mimt der den ehemaligen SS-Rottenführer Adi, dann den "Luzzer Revo", ein Revoluzzer mit "schöner, oider Terroristentradition", der mit antiimperialistischen Kammpfkassibern langweilt anstatt zum zünftigen "Mogadischu-Plattler" aufzurufen. Schleich lässt seine Figuren über Bin Laden ("der stinkfaule Hund war zu faul zum Rasieren") lästern, "wir haben halb Europa plattgemacht", gibt der Nazi-Adi an, bei den "langhaarigen Grattlern vom Stammheim" reichte es gerade mal dazu, "einen Arbeitgeberpräsident in den Kofferraum reinzubatzen".

Aua, der hat aber gesessen. Aber politisches Kabarett muss wehtun, um aufzurütteln, um der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und um den scheinbar so aufgeklärten und toleranten Bürgern die Maske wegzuziehen. Auch wenn Schleichs Episoden stark zugespitzt sind, abwegig sind die Ausführungen nicht. Zum Beispiel die grassierende "Nicht-mit-mir-Mentalität" deutscher Wutbürger. Dieser Bewegung hat sich Schleich angeschlossen und bei den Demonstrationen gegen alles, beispielsweise "so Finanz-Deppen", "Glutamat", "Tieferlegung der Bahnstrecke", "ois des halt" ist er in vorderster Front dabei. "Irgendwas muss sich ändern", sagt ihm sein Gefühl. Könnte da wohl ein begrenzter Militäreinsatz aus dem Nahen Osten helfen? "Dann wäre das Thema Stuttgart 21 jedenfalls weg", so Schleich. Aber er geht weiter. "Kampfjets können politische Diskussionen gewaltig abkürzen", meint er. "Ein Kampfjet in einer Atomkraftanlage und dann wäre die Restlaufdiskussion auch weg."

Wegen einer eigenen Meinung brauche sich niemand mehr den Kopf zu zerbrechen. Dafür gebe es das Internetportal "Opinion Scout de". Einfach das eigene Profil eingeben und schon gibt es dazu eine vorgefertigte individuelle Meinung zu allen Themen. Blöd nur, wenn sich die Grundeinstellung auf den Smartphones verstellt hat und von ökologisch-weltoffen auf chauvinistisch-nationalistisch überspringt.

Dabei ist die Hitliste der besten Meinungen ziemlich platt. Diese reicht von "ja mei" über "nicht gut aber super" bis zu "geht gar nicht". In einer Meinung seien sich aber alle Parteien einig. Bei der Frage zu Atomkraftwerken heiße es unisono "abschalten". Da habe wohl der "Guttenberg als Gralshüter des Urheberrechts" passagenweise vom Grünen-Parteiprogramm abgekupfert, mutmaßt Schleich.

Schleich schlüpfte auch in Gauting in seine verschiedenen Paraderollen. Schulter hochgezogen, Hals eingezogen, breites Grinsen, Schlitzaugen - voilà: Franz Josef Strauß. Oder: Bauch raus, steifer Gang, den Mund zum dümmlichen Lachen aufgerissen - Ottfried Fischer. Auch den zierlichen Papst Benedikt mit salbungsvollen Blick, dauersegnenden Händen und huldvollen Worten kriegt Schleich gut hin. Die Figuren, die da während der Monologe immer wieder in den Vordergrund drängen und den eigentlichen Akteur überlagern, möchte der "Schlumpfkomödiant" zu gerne loswerden, aber am Schluss werden es immer mehr: Edmund Stoiber, Horst Seehofer, Hans-Jochen Vogel . . . im Sekundentakt wechseln sich die Figuren ab. Bewundernswert, dass Schleich nach solchen Aufführungen überhaupt noch weiß, wer er selbst ist.

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