Justiz:Im Namen des Volkes

Justiz: "Das ist ein total wichtiges Amt": Friederike Eickelschulte arbeitet als Schöffin im Amtsgericht Starnberg.

"Das ist ein total wichtiges Amt": Friederike Eickelschulte arbeitet als Schöffin im Amtsgericht Starnberg.

(Foto: Arlet Ulfers)

Für das Amtsgericht Starnberg werden wieder Bewerber gesucht, die als Schöffen arbeiten wollen. Die Laien sollen den Berufsrichter unterstützen. Buchhändlerin Friederike Eickelschulte berichtet von ihren Erfahrungen

Von Michael Berzl, Starnberg

Jemanden ins Gefängnis zu schicken, fällt Friederike Eickelschulte nicht leicht. Zum Beispiel jenen jungen Mann, der in Starnberg wegen eines Drogendelikts angeklagt war, und das nicht zum ersten Mal. Dem hat das Schöffengericht eine Haftstrafe auferlegt, und als Laienrichterin hat die 44-Jährige dieses Urteil mitgetragen. Überzeugt von der Berufsrichterin, dass es in diesem Fall wirklich nicht mehr anders geht, und etwas beruhig von dem Gedanken, dass es noch juristische Kniffe gibt, die im Nachhinein doch noch eine Bewährung möglich machen. "Trotzdem. Das hat mich schon belastet", sagt Friederike Eickelschulte. Es ist eines von vielen Verfahren, an denen sie beteiligt war, seit sie vor fast zehn Jahren das Amt einer Schöffin übernommen hat. Heuer geht ihre Amtszeit zu Ende; Gemeinden und Landkreis suchen gerade nach neuen Bewerbern, die sich dann für fünf Jahre verpflichten. Jeweils sechs Schöffen für die Erwachsenen und die Jugend werden benötigt, dazu noch die gleiche Anzahl an Hilfsschöffen.

Üblicherweise finden sich im Landkreis Starnberg genügend Freiwillige für diese Aufgabe, weiß Amtsgerichtsdirektor Ulrich Kühn. "Das ist ein Vorteil, dass sich die Leute verantwortlich fühlen für ihr Gericht." Lukrativ ist der Job nicht, aus finanziellen Gründen wird wohl niemand Schöffe. Es gibt eine Fahrtkostenerstattung, eine Stundenpauschale und eine Erstattung des Verdienstausfalls. Für Friedericke Eickelschulte sind es überschlägig 20 Euro pro Stunde. Etwa sechs Tage pro Jahr muss sie für ihr Amt am Gericht opfern, aber sie tut das gerne, geradezu mit Begeisterung.

"Das ist ein total wichtiges Amt", sagt sie. "Wir brauchen da Leute mit gesundem Menschenverstand". Die Schöffen brächten "ihre Berufs- und Lebenserfahrung" sowie eigene Überzeugungen mit in die Gerichtsverhandlungen ein und leisten so "einen wichtigen Beitrag zu einer lebensnahen und verständlichen Rechtssprechung", erkärt Bayerns Justizminister Winfried Bausback in einem Aufruf.

Vor einem Schöffengericht wird unter anderem dann verhandelt, wenn die Staatsanwaltschaft Freiheitsstrafen von zwei bis vier Jahren erwartet. Häufig sind es Drogendelikte, aber beispielsweise auch Betrug, räuberischer Diebstahl oder Körperverletzungen. In weniger gravierenden Fällen entscheidet ein einzelner Richter, schwerwiegendere Fälle landen gleich beim Landgericht.

Friederike Eickelschulte hatte sich auf ein Zeitungsinserat hin gemeldet, obwohl sie genug zu tun hätte. Sie ist Mutter von zwei Söhnen, arbeitet in einer Buchhandlung in Starnberg und bietet einmal im Monat Stadtführungen an. "Da gibt es keine Ausrede, das kann eigentlich jeder machen", meint sie. Und sie fände es gut, wenn sich mehr junge Menschen dafür zur Verfügung stellten, weil die zum Beispiel einen ganz anderen Blick auf Jugenddelikte haben: "Das wäre doch cool, wann das Studenten machen würden".

Einer, der sich mit den Belangen junger Menschen gut auskennt, ist der ehemalige Jugendamtsleiter im Landratsamt, Bernhard Frühauf. Auch er ist schon lange als Schöffe bei Gericht, zuletzt Anfang des Monats bei einer Verhandlung, in der es um eine Rangelei in einem Gautinger Imbiss ging. Den 19-jährigen Angeklagten beobachtete er genau, hakte nach, wie es denn mit dem Arbeiten aussehe, fragte Polizisten und Sozialpädagogen, wie sie den Alkoholkonsum des jungen Mannes einschätzen, der bereits einschlägig bekannt ist.

Erst in der Hauptverhandlung erfahren die Schöffen die Details eines Falles. Der Berufsrichter hingegen, der die Verhandlung leitet, kann davor schon die Akten studieren und weiß daher ziemlich genau, was ihn erwartet. Die Laienrichter hingegen "schöpfen aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung", wie das im Juristendeutsch heißt. Und so ist es auch gedacht. Welchen Eindruck sie dabei gewinnen, kann durchaus von großer Bedeutung sein, auch für den Angeklagten. Theoretisch könnten die beiden Schöffen den Berufsrichter überstimmen, wenn sie nach der Verhandlung zu dritt über den Fall beraten. Das kommt vor, ist aber sehr selten. Friederike Eickelschulte hat das jedenfalls in ihren fünf Jahren beim Jugendschöffengericht und nun gut vier Jahren bei den Erwachsenen noch nie erlebt.

Die Gemeinden müssen unterschiedlich viele Bewerber vorschlagen. In Herrsching zum Beispiel sind es zwei, die sich bis spätestens 29. März im Rathaus melden können. In Krailling können Vorschläge bis Mitte März benannt werden. In Gauting sind es neun Bewerber, auch für das Landgericht in München, die bis Ende März vorgeschlagen werden können. Bis Mitte Mai müssen sämtliche Vorschläge öffentlich ausgelegt werden, Mitte Juli entscheidet der Schöffenwahlausschuss über die Bewerbungen. Die Jugendschöffen benennt der Jugendhilfeausschuss des Kreistags. Die Amtszeit beginnt im nächsten Jahr und dauert bis 2023.

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