Jubiläum:Lichtblicke in Kathmandu

Keine Lust auf Trekking, kein Interesse an buddhistischen Tempeln: Dennoch reist der in Starnberg aufgewachsene Musikkabarettist André Hartmann seit 20 Jahren nach Nepal, um dort mit seiner Hilfsorganisation Schulkindern eine Zukunft zu schenken

Von Astrid Becker

Wenn André Hartmann das Wort "Berge" hört, schüttelt er nur den Kopf. Nicht sein Ding. Ausgiebige Wander- oder gar Trekkingtouren stehen daher in seiner Urlaubsplanung keinesfalls ganz oben auf der Liste. Auch spirituelle Heilssuche in buddhistischen oder hinduistischen Tempeln ist seine Sache nicht. Und damit unterscheidet er sich grundsätzlich von vielen Menschen, die gerade all diese Aktivitäten als Gründe anführen, um nach Nepal zu reisen. Von dem 41-jährigen Münchner Musikkabarettisten und Stimmenparodisten Hartmann ist anderes zu hören: Wenn er in das südasiatische Land fährt, mitten in das Himalaja-Gebirge, will er helfen. Und zwar Kindern, die ohne seine Hilfsorganisation keine Schule besuchen könnten.

Jubiläum: Nepalhilfe Starnberg e.V.

Nepalhilfe Starnberg e.V.

(Foto: privat)

Seit 20 Jahren besteht nun schon sein Verein Nepalhilfe-Starnberg. Das Interesse an fremden Kulturen ist in ihm schon früh zu Hause in Starnberg erwacht. In Feldafing war in seiner Jugendzeit die Deutsche Stiftung für Entwicklungshilfe situiert, mittlerweile ist es die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Hartmanns Eltern hatten immer wieder deren Besucher aus aller Welt bei sich zu Gast. "Meine Eltern waren immer sehr offen", erzählt er. Niemand dieser Gäste bei sich zu Hause zog Hartmann allerdings so sehr in Bann wie der Lehrer Anil Chandra Rai aus Nepal. In der vertraulichen Atmosphäre bei Hartmanns Eltern erzählte dieser Mann 1997 über die wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten seinen Landes, über Korruption, über das Problem, als Lehrer seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, und die hohen Kosten, die anfielen, wollten Eltern ihre Kinder in die Schule schicken. Hartmann fühlte sich davon tief berührt. Und so folgte er wenig später, 1998, der Einladung des Lehrers, dessen Land, damals noch ein Königreich, zu besuchen. Es war Hartmanns erste Reise nach Kathmandu - und es sollte nicht seine einzige bleiben.

21 Jahre ist er damals alt. Ein Student an der Hochschule für Musik und Theater in München. Hartmann war mit zwei Schwestern aufgewachsen. Eine davon, Astrid, hatte schon früh das Interesse in ihrem jüngeren Bruder für Musik geweckt: "Sie brachte mich zum Klavierspielen." Auch sie schlug später als Pianistin und Autorin eine künstlerisch-musikalische Laufbahn ein.

Und Bruder André folgte ihrem Beispiel - wenngleich er auch schon früh, zu seinen Gymnasialzeiten in Starnberg - ein gewisses Talent zur Komik offenbarte: "Ich habe damals schon immer unsere Lehrer parodiert, vielleicht war für mich Humor eine gute Art, Aufmerksamkeit zu erregen", sagt er - und vielleicht auch seine Sensibilität zu verstecken. Er schließt das für sich selbst jedenfalls nicht aus, spricht man ihn darauf direkt an. "Das kann gut sein", sagt er dazu kurz und knapp. Mit seinen Stimmenimitationen wurde er auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt - zum Beispiel als Gerhard Schröder. "Wenn ich im Auto saß und ihn im Radio gehört habe, habe ich immer mitgesprochen - und irgendwann bemerkt, dass das ganz gut geht." Als Gerhard Schröder war er 2005 auf dem Nockherberg im Singspiel zu sehen. 2010 mimte er dort den damaligen Münchner Oberbürgermeister Christian Ude. "Flexibilität ist wichtig", sagt Hartmann. Und seine Stärke. Sein Repertoire ist riesig. Hartmann kann viele: Edmund Stoiber, Helmut Kohl und sogar Angela Merkel. Es gibt kaum ein Lied, das er nicht ad hoc am Piano spielen kann. Und diese Fähigkeiten nützt er auch für seine Nepalhilfe. Schon 1997 als Musiklehramtsstudent und Pianist von Frank Astor spürte er, wie gut Menschen mit Musik zu erreichen sind. Deshalb beschloss er bereits bei seinem ersten Besuch in Nepal, hier etwas verändern zu wollen, hier helfen zu wollen. Die Armut im Land schockiert ihn noch heute. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei etwa 733 US-Dollar im Jahr (Stand 2016). Noch immer gibt es dort Probleme mit der Wasser- und Stromversorgung, im Gesundheits- und Bildungssystem und vieles mehr. Wichtige Ressourcen und Rohstoffe besitzt Nepal nicht. Tourismus - gerade im Himalaja - spielt daher für die Ökonomie des Landes eine gewichtige Rolle. Er bringt, zumindest saisonal, einigen Menschen Arbeit, wenn sie als Sherpa oder als Träger bei den Trekkinganbietern anheuern. Doch die hohen Kosten für die Schulen ihrer Kinder können sie davon nicht bestreiten.

Jubiläum: Seine Kunst, Stimmen zu imitieren, nutzt André Hartmann bei Benefiz-Abenden, um Geld für seinen Verein "Nepalhilfe Starnberg" zu sammeln.

Seine Kunst, Stimmen zu imitieren, nutzt André Hartmann bei Benefiz-Abenden, um Geld für seinen Verein "Nepalhilfe Starnberg" zu sammeln.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das alles hat André Hartmann bei seiner ersten Reise nach Nepal gesehen. Zurück in Deutschland gründete er innerhalb kürzester Zeit seine "Nepalhilfe Starnberg" - weil, wie er sagt, fehlende Bildung Armut erzeugt. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung, so ist es auf der Homepage des Vereins zu lesen, sind Analphabeten. Mit Benefizkonzerten und -auftritten spielte André Hartmann das Startkapital ein - und reiste bald wieder nach Nepal. Bei diesem zweiten Besuch wurde schon eifrig an der neuen Schule für besonders bedürftige Kinder gearbeitet. Lehrer Anil übernahm die Leitung über zwei Klassen mit insgesamt etwa 40 Schülern. Mittlerweile arbeiten dort sechs Lehrer, die etwa 200 Kinder unterrichten. Einmal pro Woche finanziert Hartmanns Verein den jungen Menschen ein warmes Mittagessen: "Wir würden gern fünfmal in der Woche eine warme Mahlzeit anbieten, doch dafür fehlen uns die Mittel." Mit einem Budget von 30 000 Euro im Jahr muss der Verein auskommen, etwa ein Drittel davon spielt Hartmann selbst ein. Seit dem schweren Erdbeben 2015 unterstützt sein Verein damit noch die nepalesische Nichtregierungsorganisation "Nepal Green Tara Foundation", die sich ebenfalls um Bildung für unterprivilegierte Kinder und den Wiederaufbau des Landes nach der Naturkatastrophe kümmert. "Es gibt noch viel zu tun, und alles kann ich allein nicht leisten", sagt Hartmann, der seinen Lebensunterhalt über Auftritte und einen Teilzeitjob als Musiklehrer an Münchner Gymnasien bestreitet.

Deshalb wirbt der Verein auch um Spenden. Zum Beispiel am Sonntag, 11 Uhr, bei der Jubiläumsveranstaltung in den Münchner Museumslichtspielen. "Nach Regen kommt Sonne - Lichtblicke für Nepal" heißt der Film, der gezeigt wird. Gedreht hat ihn Nicolai Baehr, ein Starnberger Filmemacher und Architekt.

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