Kommentar:Sensibilität gefragt

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Arbeitssuchende müssen gleich behandelt werden - unabhängig von ihrer Herkunft

Von Otto Fritscher

Es sind, entgegen landläufiger Vorstellung, nicht nur Langzeitarbeitslose, die vom Jobcenter in Starnberg betreut werden. Zu diesem Personenkreis gehören auch Jugendliche, die noch keiner regelmäßigen Arbeit nachgegangen sind, Menschen, die aufgrund einer körperlichen oder psychischen Erkrankung "marktfern", also schwer in den Arbeitsmarkt zu integrieren sind, und auch alleinerziehende Mütter. Außerdem ist der Begriff "Langzeitarbeitsloser" relativ, denn er trifft auf jeden zu, der länger als ein Jahr und einen Tag arbeitslos ist. Im nächsten Jahr wird ein neuer Kundenkreis für das Jobcenter hinzukommen: anerkannte Asylbewerber, die arbeiten wollen - und von der heimischen Wirtschaft, zumindest von deren Interessensvertretungen wie der IHK, als Arbeitskräfte schon im Vornehinein willkommen geheißen werden.

Doch der Schlüssel für die Integration von Migranten sowohl in den Arbeitsmarkt wie ins soziale Leben sind Sprachkenntnisse. Deshalb ist es richtig, dass das Starnberger Jobcenter die zusätzlichen Mittel, die es nächstes Jahr bekommt, vor allem für Deutschkurse verwendet. Denn das Beispiel des syrischen Ingenieurs, der in seiner alten Heimat Brücken konstruierte, nach Starnberg kam, freiwillig gut Deutsch lernte und nach seiner Anerkennung gleich einen Job in Fulda fand, ist bislang ein Einzelfall, wie das Jobcenter selbst sagt.

Und dann wird es noch zu einer Aufgabe kommen, bei der viel Fingerspitzengefühl gefragt ist: Das Jobcenter will und muss es vermeiden, dass bei seinen deutschen Kunden ein Gefühl der Benachteiligung gegenüber den Flüchtlingen aufkommt. Das birgt Sprengstoff, wie man schon bei der Starnberger Tafel erleben konnte. Dort hatten deutsche Tafel-Nutzer protestiert, sie würden angesichts der stark steigenden Zahl von ausländischen Tafel-Gästen zu kurz kommen. Die Tafel sah sich zu einer Änderung des Verfahrens genötigt, sie hat eine begrenzte Zahl von Berechtigungsscheinen ausgegeben. Das kommt beim Jobcenter, das für Kunden jeglicher Herkunft zuständig ist, natürlich nicht in Frage.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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