Jazz:Spielfreudig

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Barbara Dennerlein mit Band in der Schlossberghalle

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Die beste Figur machte im zweiten Konzert der neuen Starnberger Reihe "All that Jazz" wohl der Bass. Er trieb mit funky Grooves voran, hastete rasant in Bebop-Nummern, zog weite Girlanden unter die abhebenden Oberstimmen, ließ im Boogie die Dampflok unaufhaltsam donnern und lieferte kernige Soli. Und dies alles in absolut zuverlässiger rhythmischer Präzision. Das Spannendste daran: Es gab auf der Bühne der gut gefüllten Schlossberghalle weder eine Bassistin noch einen Bassisten. Es war vielmehr das linke, bestrumpfte Bein von Barbara Dennerlein, das eigene Persönlichkeit an den Tag legte.

Die Pedaltechnik der international renommierten Jazz-Orgelvirtuosin ist einzigartig, zumal Dennerlein damit einen gänzlich eigenständigen Part kreiert, ganz so, als würde das flotte Bein ohne ihr Zutun agieren. Ihr linker Fuß flitzte energisch und mit faszinierender Präzision über die Pedale, während der rechte Fuß über eine Art Schwellerpedal bereits das freie, von Chromatik geprägte Geschehen der oberen Manuale mitgestaltete. Und da gibt es an der legendären Hammond B 3 bekanntlich viel zu tun, ist doch das gute alte Röhreninstrument geradezu ein Lebewesen. Die Töne werden nicht einfach nur per Tastendruck gespielt, sie müssen in gewisser Weise herausgeknetet, mit unkonventionellen Spieltechniken und passender Registrierung zu hörbaren physikalischen Effekten genötigt werden, um den ganz besonderen Hammondklang zu bewirken. Mit Peter Lehel an den Saxophonen, Christian Kappe an der Trompete und am Flügelhorn sowie Marcel Gustke am reich erweiterten Schlagzeugset hatte Dennerlein eine solide Truppe zusammengestellt, die Spielperfektion und Gespür für packendes Zusammenwirken im Blut hat .

Spielfreudig und mit satter Klangsubstanz sollten hier die Eigenkompositionen der Organistin über die Bühne gehen. Sicher der richtige Ansatz in dieser instrumentalen Konstellation, zumal die von Rock, Latin, Funk und Bebop inspirierten Kreationen grundsätzlich davon nur profitieren können. Gerade die Bläser lieferten packende Schmetterduette oder ließen ihre Instrumente straff, aber klangschön singen. Die Soli blitzsauber, kraftvoll, nah am Ausgangsthema und stets von effektvoller Dramaturgie hinterlegt, zudem von einem fulminanten Schlagzeugpart getragen, der Dennerleins Pedalbass mit seinen klingenden Trommeln Farbigkeit gab.

Die Kompositionen mit Titeln wie "Always Remember" als nostalgische Erinnerungsstütze, "Oversized" als Überflusshinterfragung, oder für sich sprechend "Get it on", "Go for it", "Sensitivity" oder "Bloody Mary" sind offenbar über bildhafte, klangmalerische Vorstellungen entstanden. Das machte sich auch im Konzert in der suggestiven, häufig narrativen und stets imaginativen Spielweise bemerkbar.

Um so mehr vermisste man allerdings den Mut der Musiker, sich mal von gewohnten Pfaden zu entfernen und sich auf Unerwartetes einzulassen, obgleich Dennerlein ansatzweise dahingehend zu provozieren versuchte, sich dann aber selbst nicht so recht traute, tiefer in Klangexperimente einzusteigen. Möglichkeiten gab es in Hülle und Fülle, zumal Dennerlein das Klangspektrum der Hammond-Orgel durch MIDI-Technik mit Sampler und Synthesizer geradezu grenzenlos zu erweitern versteht. Einzig im Anhang an den langsamen Blues "Farewell to old Friends" ließen sich die Musiker vielversprechend auf experimentelles Dialogisieren ein, das leider keine Fortsetzung finden sollte. An kreativer Atmosphäre fehlte es dennoch nicht. Eine virtuose Zugabe folgte nach frenetischem Applaus.

© SZ vom 27.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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