Jamaika-Aus :Die FDP-Politiker in der Hochburg Starnberg sind überrascht

Manche wundern sich, dass ausgerechnet die Liberalen die Verhandlungen beenden. Ex-Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fürchtet nun eine "Staatskrise".

Von Christian Deussing

Dass die Jamaika-Verhandlungen gescheitert sind, bedauern die FDP-Politiker im Fünfseenland. Die frühere Bundesjustizministerin und Starnberger Kreisrätin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) aus Feldafing zeigte sich am Montag überrascht darüber, dass ihre Partei die Jamaika-Verhandlungen abgebrochen hat. Der Landkreis zählt zu den bundesweiten Hochburgen der FDP, bei der Bundestagswahl wurde sie mit 17,1 Prozent zweitstärkste Kraft. Sie habe gedacht, dass die "Parteien zuletzt aufeinander zugegangen" seien. Die FDP-Politikerin sagte: "Ich befürchte jetzt eine Staatskrise."

Eine solche "Hängepartie" und schwierige Regierungsbildung mit möglichen Neuwahlen sei bisher in Deutschland "nicht erprobt und eingeübt". Bei einer Minderheitsregierung könnte zudem die AfD das "Zünglein an der Waage spielen", was eigentlich keiner wolle, sagte Leutheusser-Schnarrenberger der SZ. Sie glaube, dass man jetzt versuchen werde, der FDP den Schwarzen Peter zuzuschieben. Jamaika sei thematisch aber eher an der "Gesamtkonstruktion und nicht an einzelnen Punkten gescheitert".

Ihrer Ansicht nach müsse sich nun auch die SPD bewegen und in Sachen Große Koalition zumindest Gespräche führen, statt "nur in der Opposition zu verharren".

Für Leutheusser-Schnarrenberger geht die CSU geschwächt aus der erfolglosen Sondierung heraus, was mitsamt der "eruptiven Personaldebatte" bei den Christsozialen die Ausgangslage für die kommende Landtagswahl verändere. Die Entscheidung von Parteichef Christian Lindner, die Sondierung abzubrechen, habe sicher "handfeste Gründe, die für die eigene Messlatte nicht gereicht haben", erklärte Martin Zeil, der einst als FDP-Minister mit der CSU in Bayern regierte. Der Gautinger betonte, dass Lindner als "klar denkender Stratege nicht aus einer Laune heraus ausgestiegen", sondern standhaft geblieben sei. Zeil hofft, dass Neuwahlen vermieden werden können und ein "neuer Anlauf für Sondierungen unternommen" werde - und zwar ohne Angela Merkel und Horst Seehofer in der Unionsspitze. Als die FDP-Kreisvorsitzende Britta Hundesrügge gegen Mitternacht von dem Jamaika-Aus erfuhr, war sie komplett überrascht. "Ich war überzeugt, dass es klappt", sagte Hundesrügge. Es seien aber wohl rote Linien eigener Grundprinzipien überschritten worden, vermutete sie. Die FDP habe "Rückgrat bewiesen" und wolle nicht um jeden Preis regieren. Der Jamaika- Ausstieg schade nicht den Liberalen, sondern mache sie glaubwürdiger, meinte Hundesrügge. Davon scheint auch die Basis überzeugt zu sein. "Wir haben uns nicht verbiegen lassen", betonte der Gilchinger FDP-Gemeinderat Wilhelm Boneberger. Eben das sei der Partei früher doch immer vorgeworfen worden. Der Bäckermeister glaubt, dass diese "konsequente Haltung" gut ankomme und die FDP daher "keine Angst vor Neuwahlen haben" müsse. Jedenfalls sei diese Lösung besser als eine erneute Große Koalition, sagte Boneberger. Ähnlich sieht es Johannes Puntsch, FDP-Gemeinderat in Herrsching. "Eine Groko wäre der absolute Stillstand", warnte der Architekt, der sich ein Jamaika-Bündnis als ein "Querschnitt der politischen Landschaft" gewünscht hätte. Dass daraus nichts geworden ist, hat auch ihn verwundert - und vor allem, dass die FDP die Absage erteilt habe und nicht die Grünen oder die CSU. Puntsch äußerte sich allerdings auch kritisch: "Man hätte vielleicht den Abbruch etwas geschmeidiger hinbekommen können." Dass nun die FDP mit ihrem Verhalten ein negatives Echo bei den Verhandlungspartnern und in der Öffentlichkeit hervorruft, scheint die Liberalen im Landkreis eher zu beflügeln - denn man sei "nicht umgefallen".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: