Erbstreit:Vollmacht über Leben und Vermögen

Erben einer Adeligen fühlen sich von einem einstigen Freund der Familie um Millionen betrogen. Sie glauben, dass die fast erblindete Frau Entscheidungen nur noch abnicken durfte

Von Stefan Salger, Inning

Was auf dem großen Gut nahe Inning am Ammersee und später in einem Haus in Kottgeisering geschehen ist, lässt sich vor dem Fürstenfeldbrucker Amtsgericht nicht mehr lückenlos nachvollziehen. Die vermögende alte Dame aus einer Adelsfamilie, die vielleicht Erhellendes beitragen könnte, ist Ende 2011 gestorben. Eine als Zeugin geladene Nichte der Frau jedenfalls geht davon aus, dass ein früherer sehr guter Bekannter der Familie in den letzten Lebensjahren die zunehmende Demenz der fast erblindeten Frau ausnutzte, um mittels Vorsorge- und Generalvollmachten Kasse zu machen. Es könnte dabei um eine Summe in Millionenhöhe gehen.

Auf der Anklagebank sitzt am Mittwoch ein Immobilienmakler aus dem Landkreis Starnberg zunächst wegen einer ganz anderen Sache: Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann, der schon jenseits der 70 ist, vor, die Kranken- und Rentenversicherungen um Beiträge für die sechs osteuropäischen Hausangestellten der alten Dame geprellt zu haben. Es geht um fast 100 000 Euro an Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen (am Rande wird bekannt, dass für eine Nachtschicht lediglich zwischen zehn und 20 Euro bar ausbezahlt werden). Eine der aus Polen stammenden Frauen belastet den Angeklagten: Dieser habe sinngemäß gesagt, aus Kostengründen werde er lediglich zwei der Hausangestellten bei der Sozialversicherung anmelden - was auch geschah. Der Makler schiebt die Schuld auf einen gleichberechtigt bevollmächtigen Steuerberater - offenbar wohl wissend, dass der gestorben ist und nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden kann.

In dem Verfahren, das Richter Johann Steigmayer vier Stunden später um zwei Wochen vertagt, um weitere Zeugen zu laden, wird schnell deutlich, dass die "Vorenthaltung von Arbeitsentgelt" eine Petitesse ist im Vergleich zu den anderen im Raum stehenden Vorwürfen: So hat der Makler den beiden Nichten zeitweise Hausverbot und im Krankenhaus Besuchsverbot erteilt. Zudem hat er über fünfstellige Überweisungen hinaus einen Stundensatz von 150 Euro für Dienstleistungen in Rechnung gestellt, zu denen er auch gemeinsame Mittagessen auf Kosten der Dame rechnet. Von der ließ er sich auch schon mal den Weihnachtswunsch einer 4000 Euro teuren Kaffeemaschine erfüllen. Ob sich die Vorwürfe der Erben, die sich um Millionen betrogen fühlen und vor dem Landgericht einen Zivilprozess führen, belegen lassen, ist fraglich: Ein Gutachter will nicht auf Basis der Zeugenaussagen über eine mögliche Geschäftsunfähigkeit der alten Dame entscheiden. Die Verwandten glauben, dass diese kaum mehr etwas mitbekam und Entscheidungen nur noch abnicken durfte. Die alte Frau sei fast blind gewesen und konnte angeblich kaum noch erkennen, was sie da unterschrieb. Ähnlich wurde angeblich mit Belegen der Hausangestellten verfahren, die weniger Geld als quittiert erhalten haben sollen. Der Makler bestreitet all diese Vorwürfe vehement.

Sicher ist, dass die letzten Jahre für die alleinstehende Frau schwer waren. Im Mai 2009 bricht sich die damals 79-Jährige das Bein. Bei der Operation fällt sie ins Koma, wacht erst fünf Wochen später auf. Im September kehrt sie aus der Reha zurück und erteilt dem Makler die Generalvollmacht. Das Geld, das die Versteigerung vieler Möbel bei Sotheby's einige Jahre zuvor eingebracht hatte, ist längst zur Neige gegangen, die vier Häuser und Ländereien bei Inning sind Ende 2008 für 9,5 Millionen Euro verkauft worden, die Hälfte davon fließt damals an die Nichten. Die Frau zieht 2010 in ein Haus nach Kottgeisering, in dem sie bis zu ihrem Tod gepflegt wird. Die mit den Details vertraute Anwältin Katharina Happ nimmt den Fall zum Anlass, vor dem "rechtsfreien Raum" durch Vorsorgevollmachten zu warnen.

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