Inning:Meister des Understatements

Inning: Klaus Reichardt, Nick Woodland, Manfred Mildenberger und Tom Peschel (v.li.) bringen die Leute schließlich selbst im bestuhlten Saal zum tanzen.

Klaus Reichardt, Nick Woodland, Manfred Mildenberger und Tom Peschel (v.li.) bringen die Leute schließlich selbst im bestuhlten Saal zum tanzen.

(Foto: Ulfers)

Nick Woodland, Altmeister an der Gitarre, schlägt im Inninger "Spectacel" die Zuhörer in seinen Bann. Da verzeiht man ihm auch manchen schwachen Song und die eher blasse Stimme

Von armin Greune, Inning

Er zappelt nicht, er tanzt nicht, höchstens ein Knie wippt dezent mit. Aber meist steht er zum regen Mienenspiel einfach nur stocksteif da und lässt die Finger sprechen. Man möchte ihm stundenlang zuhören, wie er die Saiten seiner Telecaster zupft, schlägt und streichelt. Nick Woodlands Soli sind eine Klasse für sich: Meist beginnen sie leise und dezent, um den Fokus des Publikums zu schärfen. Mit untrüglichem Melodiegespür entwirft der bald 65-Jährige ein Thema, variiert das Motiv, webt filigrane Arabesken hinein, um am Ende zum treibenden Beat von Drummer Manfred Mildenberger und Bassist Tom Peschel das Tempo anzuziehen.

Passagenweise meint man den Laid-back-Stil von J. J. Cale herauszuhören oder den jungen Mark Knopfler. Schließt man in anderen Momenten die Augen, entsteht vielleicht die Illusion, man habe Robert Cray oder Robben Ford vor sich: Ohne weiteres kann sich Woodlands Live-Gitarrenspiel hinsichtlich Technik und Sinnlichkeit mit den Größten der Branche messen. Kein Wunder, dass sich das Märchen hält, er wäre fast bei den Stones eingestiegen.

Der ganz große Ruhm ist zwar ausgeblieben, aber die Münchner Rocklegende hat immerhin bei den frühen Kultbands Amon Düül II und Sahara mitgemischt. Woodland begleitete The Clash, Donna Summer und Herbie Mann, tourte mit Müller-Westernhagen und Ringsgwandl. Aber auch mit der eigenen Band bleibt Woodland ein Meister des Understatements: Als "Anti-Bühnentypen würden wir alle am liebsten in der Bibliothek sitzen".

Im "Spectacel" ist Woodland zum ersten Mal und reagiert auf das biedere Ambiente mit milder Verwunderung: "Parkverbot und Weinschorle - in Inning gibt es alles, nur Tänzer fehlen". Vor den diagonalen Tischreihen im bestuhlten Saal wirkt das Bluesrock-Quartett ein wenig deplatziert - es passt sicher besser in einen knallvollen Club oder Keller, in dem alle stehen müssen. Aber es ist dem Wirt nur zu gönnen, dass er im ausverkauften Haus Getränke und Essen servieren kann - bleibt doch das viel stimmungsvollere und ebenso originell wie liebevoll ausgestattete Nebenzimmer im "Spectacel" bei Konzerten oft halb leer. Jedenfalls ist der Sound im Saal perfekt abgemischt, die Musik klingt kristallklar wie von der Konserve.

Allerdings wird deshalb auch rasch deutlich, dass sich Woodlands immenses melodisches Talent in den Fingern nicht bis zu den Stimmorganen fortsetzt. Sein Gesang bleibt häufig blass oder undifferenziert, was etwa bei "Way to My Heart" oder "She will Be the One" besonders stark auffällt. Auch die Qualität der selbst geschriebenen Songs ist höchst unterschiedlich: Darunter finden sich unbedarfte Liedchen wie "Let Go" oder der dröge Schunkel-Reggae "Blues Moving In" - aber auch leuchtende Perlen wie der hinreißende Zydeco "Je vais devenir fou" oder "Something I Heard", das Woodland nach Soli von Klaus Reichhardt und Peschel ganz zart ausklingen lässt. Und selbst die an Ideen ärmeren, eintönigen Songs treiben wunderbare Blüten, wenn sich die Musiker der Improvisation hingeben. Dabei kann insbesondere Reichardt dem Bandleader durchaus das Wasser reichen: Sein Keyboard klingt dabei wahlweise wie eine Hammondorgel, ein Bluespiano oder ein Cajun-Akkordeon. Reichardt brilliert aber auch an der Pedal-Steel-Gitarre: Gleich zu Beginn des Konzerts schlägt bei "Blue to Me" ein Dialog von Nick und Klaus das Inninger Publikum in den Bann. Zur Zugabe "Something Cooking" gelingt es Woodland dann doch noch, einige Tänzer vor der Bühne zu versammeln. "Wir werden irgendwann wiederkommen, denke ich", meint der Meister zum Abschied.

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