Inning:Karrierestart auf dem Dachboden

Als Zehnjähriger entdeckte Christopher Bodenstein eine alte Digitalkamera in seinem Elternhaus. Inzwischen hat er Kameramann studiert - und erhält im November den Förderpreis des Landkreises

Von Amelie Plitt, Inning

Alles fing mit einer kleinen Entdeckung auf dem Dachboden an. Der damals zehnjährige Christopher Bodenstein fand dort per Zufall eine alte Digitalkamera. Und was machte er damit? Seinen ersten Stop-Motion-Film mit Legomännchen. Schon damals war er Star-Wars-Fan, weshalb der Bub eine Szene aus "Episode drei" nachstellte. Das war vor neun Jahren - und das Ergebnis ein reines Spaßprodukt. Doch das Filmen und Schneiden von Zelluloid wurde rasch zur Leidenschaft: Heute ist Bodenstein 19 Jahre alt, wirkt tiefenentspannt, grinst breit, hat strahlend blaue Augen, einen Dreitagebart und sitzt zurückgelehnt bei einer Tasse Tee am Esstisch seines Elternhauses in Inning.

Grund zur Freude hat er allemal: Im November erhält er im Landratsamt für seine Leistungen als Kameramann den Kulturförderpreis des Landkreises Starnberg. Und am selben Tag, als ihn diese freudige Mitteilung erreichte, war an der Bayerischen Akademie für Fernsehen (BAF) seine Abschlussfeier nach zehnmonatigem Studium als Kameramann. Bodenstein bekam sein Diplom überreicht, er machte mit einer Note von 1,5 einen überdurchschnittlich guten Abschluss.

Seine Begeisterung fürs Filmen wuchs nach seiner Zufallsentdeckung sukzessive: Nach weiteren, kleinen Filmprojekten bekam Bodenstein mit 14 Jahren zu Weihnachten seine erste eigene Kamera und ein Schnittprogramm. Ein Traum erfüllte sich für den Schüler, der das Christoph-Probst-Gymnasium in Gilching besuchte. Mit der neuen Kamera drehte er Basketball- und Fußballfilme.

Er habe von Beginn an auf die große Unterstützung von Freunden und Familie zählen können, sagt der junge Mann, der sehr erwachsen für seine 19 Jahre wirkt. Gefilmt und geschnitten hat er aber schon immer alles alleine. Bodenstein fährt sich durch seine dunkelbraunen, leicht gelockten Haare, schmunzelt und sagt dann: Sein früh entdecktes Faible sei schnell zu einem freizeitausfüllenden Programm geworden. Auf die Frage, ob er anderen Hobbys nachgeht, lacht er auf: "Ich mag Schwimmen und Basketball, dazu komme ich aber kaum, Kameramann zu sein, ist Freizeit und Beruf zugleich." Daher störte es den Inninger auch nicht, dass sein Studium viel Zeit in Anspruch nahm und er auch an d en Wochenenden mit der Kamera unterwegs war.

Inning: Großes Talent am Sucher: Kameramann Christopher Bodenstein in seinem Arbeitszimmer in Inning.

Großes Talent am Sucher: Kameramann Christopher Bodenstein in seinem Arbeitszimmer in Inning.

(Foto: Arlet Ulfers)

Dass die Filmindustrie die Branche ist, in der er später einmal arbeiten wollte, war für Bodenstein schon mit 15 Jahren klar, als er Praktika bei Constantin Film machte, beim Bayerischen Rundfunk und bei SVS-Vistek, einem Hersteller von Industriekameras. Retrospektiv ist sich der Absolvent der Fernsehakademie aber sicher, dass praktische Erfahrungen zielführender sind: Im Laufe seiner Schulzeit probierte er immer mehr aus, drehte sechs Marketing- und Imagefilme, fünf Musikvideos und vier Kurzfilme.

Wenn der 19-Jährige heute an die Gymnasialzeit denkt, war für ihn die Oberstufe in Sachen Film ein Highlight: Im Zuge des Projekt-Seminars beschäftigte er sich zwei Jahre intensiv mit diesem Thema. "Besonders toll fand ich, dass ich zum ersten Mal auf Leute gestoßen bin, die ähnliche Interessen haben, und wir uns austauschen konnten", sagt der 19-Jährige. Von dem Schulprojekt gingen wichtige Impulse für ihn aus, und der Schüler bildete sich parallel durch Youtube-Videos oder andere Online-Seiten autodidaktisch fort. Bis heute schätzt der Kameramann fachspezifische Internetquellen, die ihn für Projekte inspirieren oder ihn auf den neuesten Stand der Technik bringen.

Dass in seiner jungen Karriere nicht alles glatt lief, will der bescheiden wirkende Bodenstein nicht unter den Tisch kehren: Er erinnert sich an die Vorbereitungszeit für das Abitur im Winter 2014/2015: Sein Ziel war es, sich für die Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München zu bewerben, wofür er bis Februar zwei Kurzfilme abgeben musste: "Die Phase war arbeitsintensiv, ich habe niemanden getroffen und den schulischen Aufwand auf ein Minimum reduziert." Obwohl er wusste, dass seine Chance, genommen zu werden, nicht zuletzt wegen seiner jungen Jahre eher schlecht stand, hoffte er auf eine Zusage. Dann kam, kurz nach dem Abitur, die Absage. Eine bittere Enttäuschung.

Kameramann Christopher Bodenstein

Sinn für obskure Stimmungen: Standbild aus einem Filmprojekt des Inningers Christopher Bodenstein.

(Foto: Arlet Ulfers)

Aber Bodenstein verzagte nicht, er suchte nach Alternativen: Letztlich überzeugte ihn die familiäre Atmosphäre der BAF, an der er im Oktober 2015 anfing, Kameramann zu studieren. Hier entstanden Filmreportagen, Live-und Tape-Sendungen, ein Magazin, zwei eigene Sendungen und Videojournalismusbeiträge. Zum ersten Mal habe er in dieser Zeit eine Ahnung davon bekommen, was es heißt, Profi zu sein. Und sein Berufsziel sei greifbarer geworden, sagt der junge Mann. Zu den Kommilitonen hat Bodenstein bis heute Kontakt, weniger privat, mehr zum arbeitstechnischen Austausch.

Und was hat der 19-Jährige jetzt vor? Kurz scheint der eloquente Bodenstein eine Bedenkpause zu brauchen. Er nippt an seinem Tee, wippt auf dem Stuhl hin und her, stellt dann aber schnell fest, dass seine aktuellen Pläne sich ständig ändern würden: Sein Wunsch ist es, mit einem Schulfreund, der Musikproduzent ist, nach Berlin zu ziehen und sich bei einer Produktionsfirma als Kameramann zu bewerben. Weiter studieren will er im nächsten Semester noch nicht. Vor der Verleihung des Kulturförderpreises im November geht's auf Reisen: Nach Kroatien und von da aus mit dem Rucksack bis nach Indien, die Kamera ist natürlich dabei.

Seit zwei Jahren filmt der junge Mann mit einer Lumix GH3, von dem mit 3000 Euro dotierten Kulturförderpreis möchte er sich eine neue Sony Alpha 7 S Mark 3 kaufen. Damit kann dann seine Entdeckung auf dem Dachboden kaum mehr mithalten.

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