Inning:Ein stets unruhiger Geist

Er ist der älteste amtierende Bürgermeister des Landkreises: Werner Röslmair. Heute feiert er seinen 70. Geburtstag.

Christine Setzwein

Blumen für die Kämmerin

Hat gut Lachen: Bürgermeister Werner Röslmair (li.) und Geschäftsleiter Günter Gebauer mit Kämmerin Silke Krause. Foto: Fuchs

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Trockene Verwaltungsvorlagen abzulesen, macht nicht wirklich Spaß. Bei Sätzen wie "Wir empfehlen die Überschreitungsmöglichkeit für unselbständige Bauteile der Hauptanlagen sowie für Anlagen nach § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 BauNVO getrennt festzusetzen" kann man schon mal ins Schleudern geraten. Oder sich lustige Versprecher leisten. So wie die "Syphilisarbeit" von Innings Bürgermeister Werner Röslmair. Nicht, dass er nicht wüsste, dass es "Sisyphusarbeit" heißen muss, aber in der Eile des Gefechts . . . Eilig hat es Röslmair oft, und manchmal ist er auch ungeduldig. Er selbst nennt es so: "Ich war schon immer ein unruhiger Geist." Am heutigen Montag feiert er seinen 70. Geburtstag.

Am 1. Juli 1943 kommt Röslmair in München zur Welt. Seine Mutter ist noch schwanger mit ihm, als die Familie zum ersten Mal ausgebombt wird und alles verliert. Beim zweiten Mal ist er drei Monate alt, wieder steht die Mutter mit nun drei Söhnen vor dem Nichts. Doch als der Vater 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkommt, geht es aufwärts mit den Röslmairs. Zum Studieren reicht das Geld aber nur für die zwei älteren Brüder. Der kleine Werner hat zwar sehr gute Noten in der Volksschule, soll aber ein Handwerk erlernen. Er wird Schriftsetzer - und ist ehrgeizig. Er jobbt in verschiedenen Verlagen, arbeitet sich hoch vom Zeitschriftenmetteur zum Buchhalter, macht nebenbei seine Meisterprüfung, wird Betriebsleiter bei Bertelsmann und kauft sich schließlich 1976 bei der Inninger Druckerei Grassl ein. Schon mit 23 Jahren hat er seine Petra geheiratet, die Münsterländerin, die er in einem Zeltlager der katholischen Jugend in Königsdorf kennen gelernt hat. Ein Sohn und eine Tochter werden geboren. Mittlerweile hat Röslmair zwei Enkel mit zwölf und 15 Jahren, "unsere größte Freude", sagt er.

Es läuft alles gut. Bis zum 29. September 1989. An diesem Tag rammt ein Betrunkener mit seinem Wagen das Auto der Röslmairs. Das Ehepaar wird schwer verletzt. Die Feuerwehr braucht drei Stunden, bis sie Werner Röslmair aus dem völlig demolierten Fahrzeug befreit hat. Seither "hat es keinen Tag gegeben, an dem ich schmerzfrei war", sagt der Inninger. Ein furchtbarer Einschnitt für den Mann, der immer so sportlich war. Fußball, Tennis, Skifahren, Bergwandern - alles vorbei. Nach vier Jahren muss er aus gesundheitlichen Gründen auch seine Druckerei verkaufen.

Doch Röslmair lässt sich nicht unterkriegen. Aus einem einzigen Grund: "Ich lebe gerne." 2002 wird er für den Freien Bürgerblock (FBB) in den Gemeinderat gewählt, wird Dritter Bürgermeister und Referent für Vereine und Feuerwehr. 2007 wollen ihn die Inninger als Nachfolger für den verstorbenen Bürgermeister Georg Glas, ein Jahr später bestätigen sie ihn im Amt.

Auch als Bürgermeister ist Röslmair ein unruhiger Geist. Er möchte anschieben, seine Gemeinde weiterbringen. In seinem ganzen Berufsleben hat er gelernt, schnelle Entscheidungen zu treffen und sie auch durchzuziehen. Das will er auch im Inninger Rathaus. Er ist ein Handwerksmeister, kein Jurist und kein Verwaltungsmensch. Für ihn ist das Rathaus eine "Dienstleistungsfirma mit sozialem Charakter", der Mensch steht im Vordergrund, "nicht die Gesetze". Aber Röslmair ist kein Sozialromantiker und kein Fantast. Er weiß, dass diese Amtsauffassung nur in einer kleinen Gemeinde wie Inning möglich ist. "In einer großen würde ich als Bürgermeister untergehen."

Lange hat er überlegt, ob er noch einmal für den Gemeinderat kandidieren soll. Als Bürgermeister darf er nicht mehr, da hat er die Altersgrenze erreicht. Er macht es nicht. "Ich will niemandem im Weg stehen", sagt er, bietet seinem Nachfolger aber Rat und Hilfe zu jeder Zeit an. Als Privatmann wird Röslmair wieder mehr reisen, Krimis lesen und Musik hören. Mozart ist ihm am liebsten, nur zum Aufrichten braucht er Wagner. Sein größter Wunsch zum Geburtstag - ein paar Stunden ohne Schmerzen - wird sich nicht erfüllen lassen. Der zweitgrößte: "Im Winter meines Lebens so weiter leben zu können wie bisher." Das klingt überhaupt nicht larmoyant, sondern sehr fröhlich.

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