Holzhausen:Perfekte Kulisse für Rentenbetrug

Am Ostufer des Starnberger Sees wird derzeit eine schwarzhumorige ARD-Komödie mit vielen namhaften Schauspielern gedreht

Von Astrid Becker, Holzhausen

Eine neun Meter lange, pinkfarbene Stretchlimousine rollt aus der Garage. An anderen Orten wäre das vielleicht nicht ganz ungewöhnlich. In einer oberbayerischen Bilderbuchlandschaft hingegen, in der die Zeit stehen geblieben scheint, wirkt so etwas per se skurril-komisch. Aber in diesen Tagen ist in dem kleinen Münsinger Ortsteil Holzhausen am Ostufer des Starnberger See ohnehin nichts mehr, wie es war. Verschwunden ist hier jegliche Beschaulichkeit, stattdessen wieseln etwa 40 Menschen herum, unter anderem bewaffnet mit Kameras, riesigen Mikrofonen, Decken und Schminkköfferchen. Sie drehen "Falsche Siebziger" - einen Spielfilm, der im kommenden Jahr in der ARD zu sehen sein wird.

Holzhausen: Eine wichtige Rolle spielt eine knallrosa Limosine.

Eine wichtige Rolle spielt eine knallrosa Limosine.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Bekannte Gesichter haben sich also eingefunden, an diesem Fleckchen in Holzhausen, das selbst ein eigener kleiner Weiler sein könnte: Die Schauspieler Ilse Neubauer, Sebastian Bezzel, Gundi Ellert, Fred Stillkrauth, Katrin von Steinburg, Gerhard Wittmann und der mittlerweile 22 Jahre alte Markus Krojer, der einst in "Wer früher stirbt, ist länger tot" die Hauptrolle spielte. Sie sitzen an diesem eiskalten Donnerstag in dicke Daunenjacken und Decken eingehüllt mitten im Zentrum von vier Bauernhäusern, die hier stehen. Eine kleine Straße führt durch den Flecken, über allem ragt die St. Johann-Baptist-Kirche in den Himmel. Zwölf Menschen leben hier normalerweise, die sich aber im Moment in ihren Häusern verschanzt haben, um die Dreharbeiten nicht zu stören, genauer gesagt, in deren Obergeschosse. Denn ihr Erdgeschoss, ihre gute Stube, die Küche dienen ebenfalls als Filmkulisse. Ziemlich spontan hätten sich alle Bewohner des Fleckchens dazu bereit erklärt, ihr Heim zur Verfügung zu stellen, erzählt Regisseur Matthias Kiefersauer. Ungewöhnlich ist das schon - wie auch er findet. Szenenbildnerin Michaela Weniger habe das Örtchen zufällig entdeckt und den ersten Kontakt mit dessen Bewohnern hergestellt, sagt er: "Ein echtes Geschenk". Denn an den reellen Gegebenheiten hätten sie nicht viel verändert, nur die Bushaltestelle gibt es ebenso wenig dort wie die Stretchlimousine. In den Häusern selbst hätten sie auch fast nichts "umbauen" müssen: "Das eine beispielsweise wirkt von der Ausstattung her verspielter, weiblicher, das andere eher nüchterner, männlicher", wie Kiefersauer sagt: "Genau das, was wir brauchen." Der 43-Jährige weiß genau, wovon er spricht. Denn er führt nicht nur die Regie, sondern hat auch zusammen mit dem Kabarettisten Alexander Liegl das Drehbuch für den Film geschrieben.

Holzhausen: Tragende Rollen spielen unter anderem Markus Krojer, Gerhard Wittmann und Sebastian Bezzel (v. li.).

Tragende Rollen spielen unter anderem Markus Krojer, Gerhard Wittmann und Sebastian Bezzel (v. li.).

(Foto: Hartmut Pöstges)

Übrigens etwa fünf Jahre lang. Immer wieder haben sich die beiden, die ein eingespieltes Team sind, im Münchner "Baader-Café" getroffen, um an dem Plot und den Dialogen zu feilen. "Ich bin dabei für das Chaos zuständig, Matthias für Struktur und den analytischen Blick", erzählt auch Alexander Liegl, der zudem in dem Film mitspielt. Ähnlich drückt sich auch Kiefersauer aus, wenngleich er auch noch einen anderen Aspekt der Zusammenarbeit ins Spiel bringt: "Wenn es um Liebesgeschichten geht, muss ich ran, das mag der Alex nicht so. Er ist dafür derjenige, der als Kabarettist das Schräge, Komische, Skurrile meisterhaft beherrscht." Kennengelernt haben sich die Beiden schon 1999 - weil Kiefersauer ein absoluter Fan der "Gruppo di Valtorta" ist, zu der Liegl gehörte und deren künstlerische Leiter er lange Zeit war. "Ich habe ihn dann einfach gefragt, ob er in einem Film von mir damals noch an der Hochschule mitspielen würde, er hatte keine Zeit, aber wir blieben in Kontakt." Zusammen verwirklichten sie dann vor rund zehn Jahren "Das große Hobeditzn", den letzten Film mit Jörg Hube. Damit schaffte Kiefersauer den Sprung in die Riege der bedeutenden Regisseure im Genre des neuen, bayerischen Heimatfilms.

Holzhausen: In "Falsche Siebziger" geht es um einen Schwindel, der außer Kontrolle gerät.

In "Falsche Siebziger" geht es um einen Schwindel, der außer Kontrolle gerät.

(Foto: Hartmut Pöstges)

In dem aktuellsten Werk der Beiden - die Idee dafür hatte der Bayerische Rundfunk an sie herantragen - geht es um einen kleinen Weiler, in dem fast zeitgleich drei Senioren sterben. Um deren Rente weiter kassieren zu können, beschließen die Dorfbewohner, die Toten offiziell am Leben zu erhalten. Angestiftet werden sie dazu vom 45 Jahre alten und recht erfolglosen Geschäftsmann Hubertus Hochstetter, der wieder einmal unter Geldnot leidet. "Ein recht windiger Typ, ein Hochstapler - und endlich mal kein Polizist", sagt Darsteller Sebastian Bezzel, der erst kürzlich wieder als Kripobeamter Franz Eberhofer in der Verfilmung von Rita Falks Roman "Schweinskopf al dente" im Kino zu sehen war. In seiner neuen Rolle kommt er auf die Idee, den Schwindel dadurch zu vertuschen, in dem die Dorfgemeinschaft Doubles der Verstorbenen engagiert. Das zunächst noch kleine Lügengebilde wird immer größer, und damit auch die Gefahr, aufzufliegen - zumal es irgendwann noch mehr Leichen gibt. Eine tragende Rolle in der Entwicklung der Geschichte dürfte dabei nicht nur den einzelnen Figuren zukommen, sondern auch der Stretchlimousine, die für sich genommen schon sehenswert ist. Das finden auch viele hier am Set. Immer wieder werfen sie einen Blick in das riesige Auto. Nur die echten Bewohner des Fleckchens nicht. Sie wollen wohl ihre Ruhe vor dem Trubel. Irgendwie auch verständlich.

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