Höhenrain:Farbe bekennen

Das rote Parteibuch ihres Großvaters hält Sabine Ziora aus Höhenrain in Ehren. Sepp Mooser war ein eingefleischter Sozialdemokrat, der auch in der Nazi-Zeit seiner Gesinnung treu blieb

Von Ute Pröttel, Höhenrain

Das SPD-Mitgliedsbuch von Opa Sepp Mooser hält sie in Ehren. Es besteht eigentlich nur noch aus einzelnen Blättern, die mit drei Tesafilmstreifen zusammen gehalten werden. Die Ränder sind abgegriffen. "Er hat es immer bei sich getragen, wie andere ihren Personalausweis", erinnert sich Sabine Ziora. Seit kurzem hat sie nun ihr eigenes rotes Parteibuch. "Der Opa wäre sicher sehr stolz," sagt die 54-Jährige Höhenrainerin. Laute politische Forderungen sind nicht ihre Art. Und doch spürt man aus ihren Worten die überzeugte Sozialdemokratin. Jetzt und heute sei es nicht genug, nur Sympathisantin zu sein, ist Ziora überzeugt. Mit ihrem Eintritt in die sozialdemokratische Partei will sie Farbe bekennen. Vom Berger Ortsvorsitzenden wurde sie als "alter sozialdemokratischer Adel aus Höhenrain" begrüßt.

Politisch geprägt wurde Sabine Ziora von ihrem Großvater Sepp Mooser, einem eingefleischten Sozi aus Höhenrain, der sich auch während der Nazizeit nicht von seiner Gesinnung hat abbringen lassen. Bereits 1928 hatte er in Höhenrain einen Ortsverein der SPD gegründet. Als die Partei unter der NS-Herrschaft 1933 verboten wurde, musste er alle Mitgliedslisten und Parteiunterlagen verbrennen.

Der Ortsverein war eng verwoben mit dem örtlichen "Arbeiter Radfahrer Verein Solidarität", sogar eine eigene Fahne gab es. Auch die sollte eigentlich vernichtet werden, doch das brachte Mooser nicht übers Herz. Schließlich hatten die Höhenrainer Arbeiter jahrelang gespart, bis sie sich die Fahne endlich leisten konnten. Und so versteckte er sie während der Kriegszeit. Zwei oder drei Mal musste er nachts mit dem Fahrrad los, um die Standarte von einem Ort woandershin zu bringen; immer mit dem Risiko, entdeckt zu werden. Ein Abenteuer von dem er der Enkelin sicher nicht nur einmal erzählt hat. Heute ist die historische Fahne im alten Schulhaus in Aufkirchen ausgestellt. "Kurz vor seinem Tod 1988 hat der Opa die Fahne dem Berger Ortsverein der SPD übergeben", erzählt Ziora.

Aufkirchen,  Sabine Ziora

Sabine Ziora mit den historischen Fahnen, die nun in einer Vitrine im alten Schulhaus aufbewahrt werden.

(Foto: Georgine Treybal)

Gleich im Januar 1946 ist Großvater Mooser wieder in die Partei eingetreten. So steht es auf der ersten Seite des zerfledderten Mitgliedsbuches. Einen Ortsverein Höhenrain gab es da nicht mehr. Während des Krieges seien die meisten Höhenrainer Sozialdemokraten zur NSDAP übergelaufen und nach dem Krieg dann lieber zu den Schwarzen gegangen, wie in einem Artikel zu Moosers 85. Geburtstag nachzulesen ist. Er trat erst der Wolfratshauser SPD bei und wechselte dann 1972 zum Ortsverein Berg.

Hier wie dort hat er sich immer für die sozialdemokratische Sache stark gemacht, auch wenn er dafür von den Nachbarn und im Gasthaus als "roter Hund" betitelt wurde. Ressentiments, die auch Sabine Ziora als junges Mädchen noch zu spüren bekam. Für den Opa verteilte sie Flugzettel, fuhr mit dem Rad herum und skandierte "Brandt muss Kanzler werden". Dass auch sie dafür so manche Schelte einfuhr, störte das schüchterne Mädchen aber nicht. Sie bewunderte ihren Opa für sein Engagement, trat aber aus Rücksicht auf die schwarze Gesinnung ihres Vaters nicht in die SPD ein. Ein Fan von Willy Brandt blieb sie auch nach dessen Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers. Als er einmal im Starnberger Undosa sprach ergatterte sie sogar ein Autogramm. Stolz hält sie es jetzt neben eine handschriftliche Notiz des großen SPD-Politikers, die im aktuellen roten Parteibuch vorne abgedruckt ist. Eine Ähnlichkeit ist deutlich erkennbar.

Aufkirchen,  Sabine Ziora

Das alte Mitgliedsbuch des Großvaters von Sabine Ziora ist mit Tesafilm geflickt, ihr eigenes ist noch ganz neu.

(Foto: Georgine Treybal)

"Ich glaube nicht, dass Martin Schulz es schaffen wird, die absolute Mehrheit zu gewinnen", sagt die studierte Betriebswirtin. "Ich wünsche mir aber, dass er die SPD wieder auf Augenhöhe mit der CDU/CSU bringt." Das hält sie für realistisch. Dafür wird sie sich engagieren. Gerade das Leben ihres Großvaters hat sie die Höhen und Tiefen der sozialdemokratischen Partei gelehrt.

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