Hochstadt:Tränen für Fische

Der Lyrikabend mit Fritz Ani und Anton G. Leitner in Hochstadt

Von Wolfgang Prochaska, Hochstadt

In diesem Jahr gewann überraschend der Lyriker Jan Wagner den Preis der Leipziger Buchmesse mit seinem Band "Regentonnenvariationen". Das Buch wurde zum Bestseller, die Verse sind ja schön musikalisch, man spürt eine Art von Landlust. Und die ist bekanntlich groß. Da ist es eine gute Idee gewesen, im Rahmen des Fünfseen-Festivals eine Lyrik-Lesung in einem Biergarten mit anschließender Filmvorführung zu veranstalten - und zwar in Hochstadt, im Biergarten des Gasthofes Schuster. Mehr Landleben geht nicht.

So lasen an einem Freitagabend Anton G. Leitner aus Weßling und Friedrich Ani aus München ihre Gedichte, bei Leitner war es ein "Best of" seines Schaffens der vergangenen 30 Jahre, Friedrich Ani hingegen, einer der besten Krimiautoren dieses Landes, brachte neue Gedichte mit. Die Lesung würde also durchaus spannend werden. Hinzufügen muss man noch, dass die beiden eine jahrzehntelange Freundschaft verbindet, was insofern interessant ist, da sie doch unterschiedlichen Ausdrucksformen anhängen: Leitner ist auch noch Verleger und Herausgeber der wichtigen Literaturzeitschrift "Das Gedicht", Ani schreibt neben den Gedichten und Krimis auch noch Drehbücher und Jugendbücher.

"Am Ufer im Gras/füttert ein Kind die Fische/ mit Tränen" lautet eine Zeile in Anis neuem Gedichtzyklus. Es sind diese feinen, immer wieder überraschenden Bilder, die die Gedichte des Münchners so ungewöhnlich machen. Das waren sie zwar schon immer, aber nun sind sie komprimierter, meist nicht länger als 15 Zeilen. Es ist, also wollte er nach der reinen Klarheit des Ausdrucks suchen und sich gleichzeitig Grenzen setzen. Denn viele seiner neuen Verse sind reine Reimgedichte, tragen aber eine explosive Kraft in sich, die wohl nur der Reim bändigen kann. Sehr still wurde es im Biergarten, als Ani - wohl zum ersten Mal vor Publikum - sein Langgedicht "Der Syrer" vortrug, die Erinnerung an seinem Vater. In diesem Gedicht fließt alles zusammen: das Fremdsein des Vaters in der bayerischen Provinz, die Trauer um den Untergang Syriens ("In allen Bächen fließt Blut, das ist die allerletzte Sintflut"), und die Trauer des Sohns um den Verlust. Es war der literarische Höhepunkt des Abends.

Den Kontrapunkt setzten die Gedichte von Leitner. Der Weßlinger, ein lyrischer Erotomane, der die Zeilen für Vieldeutigkeiten bricht und damit öffnet, brachte Lockerheit und sommerliches Vergnügen in die Runde. Sein Gedicht "Kleine Weltenrunde mit F." müsste endlich zum Kanon deutschsprachiger Liebeslyrik gehören. Viel Applaus.

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