Hochstadt:Der Kampf ums Horn

90 Prozent aller Kühe sind oben ohne. Dagegen wehren sich die Biobauern von Demeter. Sie haben die Aktion "Kühe haben Hörner" gestartet. Für seine beispielhafte Rinderhaltung wurde Franz Grenzebach ausgezeichnet

Von Wolfgang Prochaska, Hochstadt

Der Hochstadter Bauer Norbert Grenzebach weiß genau, wie ein schönes Horn bei einer Kuh aussehen muss. Es muss so sein wie bei der "Gerti": Also die beiden Hornzapfen nicht nach vorne, sondern nach oben gewachsen. Das Jungrind weiß allerdings von dieser Schönheit nichts - es will in Ruhe gelassen werden und fressen. Es weiß auch nichts von seinem Glück, denn Grenzebach gehört zu den noch ganz wenigen Landwirten im Landkreis Starnberg, deren Kühe wie von der Natur geschaffen aussehen - also mit Hörnern. Seine Überzeugung lautet: "Die Natur wird schon wissen, warum sie der Kuh diese Hörner gegeben hat."

An dieser Stelle muss gesagt werden, dass Grenzebach, der bald seinen Hof an den Sohn übergeben wird, ein Demeter-Bauer ist. Seit 28 Jahren ist er beim ältesten Bioverband Deutschlands, dessen äußerst strenge Richtlinien auf natürliche Ressourcen-Schonung und Nachhaltigkeit setzen. Demeter-Bauern dürfen ihre Kühe auch nicht enthornen. Statt 60 Kühen, die konventionell-wirtschaftende Bauern in diesem Laufstall unterbringen könnten, hält er nur 45 Tiere. "Kühe mit Hörnern brauchen je Tier zehn Quadratmeter Platz und nicht sechs, wie bei den hornlosen." Die älteste Kuh ist 17 Jahre alt und hat 19 Kälber geboren.

Das alles ist für den Besucher schön anzusehen. Überhaupt kommt der Grenzebachsche Bauernhof der Idealvorstellung eines oberbayerischen Gehöfts sehr nahe. Denn es gibt nicht nur Kühe, die viel Platz und Bewegung haben und in der warmen Jahreszeit auf der Weide stehen dürfen, es gibt auch Hühner und Schweine, die ebenfalls bei den Kühen sind und zuweilen mit den Jungrindern schmusen, wie die "Luisa", deren im wahrsten Sinn engste Freundin eine junge Sau der alten Schweinerasse Bentheimer ist. "Die Beiden sind immer zusammen", sagt Grenzebach, dem die Freude über seine Tiere anzusehen ist. "Wir sind ein Bauernhof und kein Betrieb."

Dies war für die Demeter-Milchbauerngemeinschaft, die heuer ihr 25-jähriges Bestehen feiert, Grund genug, um bei Grenzebach in Hochstadt vorbei zu schauen. Außer ihm gibt es noch vier weitere Demeter-Bauern im Landkreis. Natürlich erhielt Grenzebach eine Auszeichnung, und zwar die neue Horn-Keramiktafel, auf der zu lesen steht: "Unsere Kühe tragen Hörner." Es sind handbemalte Tafeln aus einer Behinderten-Werkstatt in Kempten. Susanne Schwärzler, die Kuhhorn-Beauftragte und Alois Ferch, Demeter-Geschäftsführer, übergaben die Auszeichnung an den Hochstadter Bauern, der zu den ersten gehört hat, die biodynamisch gewirtschaftet haben.

Im Trend

Für Alois Fersch ist es ein großer Schwindel. In der Werbung - ob auf Plakaten, im Fernsehen oder auf Milchverpackungen - werden Kühe immer mit Hörnern gezeigt. Das stinkt dem Geschäftsführer des Bioverbandes Demeter gewaltig. Denn 90 Prozent aller Milchkühe, die in deutschen Ställen stehen, tragen diese "Krone" nicht mehr. "Darüber wollen wir die Verbraucher aufklären." Dazu hat sich Demeter etwas einfallen lassen. Für jene Bauern, die sich für eine natürlich Rinderhaltung entscheiden beziehungsweise entschieden haben - das sind im Grunde alle Demeter-Höfe mit Kühen - gibt es eine Auszeichnung, die neue "Horn-Keramiktafel". Diese verdeutlicht allen Besuchern, dass dieser Bauer Kühe im Stall stehen hat, die noch Hörner haben.

Der Grund, warum die meisten Landwirte dem Trend zur Enthornung gefolgt sind, hat damit zu tun, dass mehr Tiere in den Ställen stehen können - und mehr Tiere bedeuten meist eine höhere Milchleistung und für den Betrieb mehr Einnahmen. Bauer Franz Grenzebach aus dem Weßlinger Ortsteil Hochstadt weiß um den Vorteil der konventionellen Tierhaltung. Er sagt selber: "Wir machen uns Gedanken. Wir sind zwei Familien am Hof. Reichen da 45 Kühe?" Mehr geht aber nicht, da er noch austreibt, und bei 50 Tieren verliert er den Überblick. pro

Die Milch ihrer Kühe liefern die Demeter-Landwirte an die Biomolkerei Scheitz in Andechs. Deren Pressesprecherin Irmgard Strobl räumte ein, dass diese Milch einen höheren Aufwand bei der Verarbeitung macht. "Bei Demeter ist es nicht erlaubt, die Milch zu homogenisieren", sagte Strobl. Sie müsse so natürlich bleiben, wie es geht. Dass sich die Biomolkerei nun auch für Kühe mit Hörnern engagiert, hat auch mit der besseren Milchqualität dieser Tiere zu tun. "Wir wollen den Verbraucher besser und tiefer darüber aufklären", meinte Strobl. Dafür ist die Kuhhorn-Beauftragte Schwärzler zuständig, die der Ansicht ist, dass der Trend zur Hornlosigkeit auch der Milch zugesetzt hat, da diese Tiere eine schlechtere Milch produzieren. Schwärzler sieht in den steigenden Fällen von Milch-Allergie beziehungsweise Milch-Unverträglichkeit bei Menschen einen engen Zusammenhang. Zudem habe es wissenschaftliche Untersuchungen zwischen hornlosem und normalem Fleckvieh gegeben. Die Enthornung bewirke eine ausgesprochen deutliche Behinderung der Nerven-Sinnesfunktion der Kühe, meinte Schwärzler. Bei aller Empörung über die Enthornung räumte Bauer Franz Grenzebach aber ein, dass die Rangkämpfe bei Hornvieh äußerst blutig sein können. "Da kann schon mal ein Horn abbrechen und das blutet stark." Aber die Kämpfe fänden meist im Winter statt, im Stall.

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