Hingucker seit 250 Jahren:Theater unterm Dießener Himmel

Die traditionsreiche Mysterienbühne im Marienmünster wird auch heuer wieder in Szene gesetzt - doch die Ostermessen finden in St. Stephan statt

Von Armin Greune, Dießen

Erstmals seit vielen Jahren wird das Theatrum Sacrum heuer über Ostern vor leeren Rängen stattfinden. Weil im Marienmünster noch das wegen der Deckenschäden errichtete Gerüst im Weg steht, müssen die Messen an den Feiertagen in der Dießener Winterkirche St. Stephan zelebriert werden. Die viel berühmtere Stiftskirche nebenan kann aber trotz der 23 Meter hohen Baukonstruktion unter der Kuppel besichtigt werden. Und auf der Rückwand des Altarraums lässt sich auch das "Heilige Theater" bewundern: "Es ist die einzige erhaltene und bespielbare Mysterienbühne, die mir bekannt ist", sagt Dießens Pfarrer Josef Kirchensteiner. Zudem entstammt der größte Teil der aus neun Szenen bestehenden Spielstätte der Malerwerkstatt des bedeutenden Barockmeisters Johann Georg Bergmüller. Der Augsburger Akademiedirektor hat beispielsweise im Marienmünster auch die großformatigen Deckenfresken mitsamt dem Dießener Himmel geschaffen.

Hingucker seit 250 Jahren: Die Mysterienbühne im Marienmünster ist mehr als 250 Jahre alt und zeigt vier verschiedene Szenen aus der der Biblischen Geschichte über Ostern.

Die Mysterienbühne im Marienmünster ist mehr als 250 Jahre alt und zeigt vier verschiedene Szenen aus der der Biblischen Geschichte über Ostern.

(Foto: Arlet Ulfers)

Der Hochaltar wird jedoch dem Münchner Hofbildhauer Joachim Dietrich zugeschrieben. Den größten Teil des Jahres schmückt sein Altarblatt mit der Aufnahme Marias in den Himmel die Rückwand. Doch im Advent und vom Passionssonntag (heuer der 2. April) bis nach Christi Himmelfahrt wird das Bild im Boden versenkt. Dann hat das Theatrum Sacrum mit dramatischen Szenen der Biblischen Geschichte Saison. Auf die am Passionssonntag erschienene Ölbergszene folgt für die Karwoche eine Darstellung der Kreuzigung: Die Leinwand, die im Moment noch herabhängt, stammt allerdings nicht aus der Originalausstattung: "Sie wurde 1934 für 750 Reichsmark bei der Dießener Antiquitätenhandlung Hudler erworben", sagt Karl Ilg, Sohn des Mesners, der von 1935 bis 1975 im Marienmünster Dienst leistete. Im Zeichen der Gegenreformation zur NS-Herrschaft sei damals das Dießener Mysterienspiel wiederbelebt worden, so wurde 1934 auch eine Weihnachtsszene von Hans Schilcher gemalt, erzählt Ilg.

Wenn aber gegen Ende der Karfreitagsliturgie der Hügel Golgatha für das Heilige Grab Platz macht, wird ein beeindruckendes Kunstwerk Bergmüllers sichtbar: Auf drei Bildtafeln schweben der Heilige Vater, der Heilige Geist in Gestalt einer Taube, Engel und Putten über einer Weltkugel. Unter ihr wird Christus im Grab dargestellt, von zwei weiteren Putten umgeben. Dazu erstrahlen acht bunte Glaskugeln, die mittlerweile durch LEDs beleuchtet werden. Noch in der Osternacht erscheint dann im Theatrum Sacrum die überlebensgroße Figur des Auferstandenen, die im Marienmünster bis Christi Himmelfahrt präsentiert wird. An Pfingsten ist dann eine Premiere geplant: Kirchensteiner hat dazu ein neues Mysterienbild bei Dießener Künstlern in Auftrag gegeben. Die Keramikwerkstatt Loesche stellt gerade eine leuchtende Flamme her, die den Heiligen Geist symbolisiert, Figuren aus dem Bühnenfundus sollen die Apostel und Maria darstellen.

Hingucker seit 250 Jahren: Mesner Hans Jürgen Oppler hält diese Ostern aufgrund des Baugerüsts im Marienmünster leider keine Messe ab. Die Mysterienbühne, die er installiert, kann aber trotzdem besichtigt werden.

Mesner Hans Jürgen Oppler hält diese Ostern aufgrund des Baugerüsts im Marienmünster leider keine Messe ab. Die Mysterienbühne, die er installiert, kann aber trotzdem besichtigt werden.

(Foto: Arlet Ulfers)

Wer mit Mesner Hans Jürgen Oppler auf knarzenden Holzstufen hinter die Kulisse im Chorraum steigt, entdeckt dort die mehr als 250 Jahre alte, mechanische Bühnenkonstruktion. Ihre Wirkungsweise muss einst die noch nicht vom Film und Fernsehen profanierten Kirchgänger verblüfft haben. Bis teilweise elektrische Motoren installiert wurden, war der Wechsel des Bühnenbildes eine langwierige und schweißtreibende Angelegenheit: "Nach dem Abendmahl am Gründonnerstag haben sechs Leute fast vier Stunden lang mit Schnüren hantiert. Dabei musste man immer höllisch aufpassen, dass man nirgendwo anstößt und die Bilder beschädigt", erzählt Oppler, der seit fast 25 Jahren für das Marienmünster zuständig ist. Im Rahmen der Elektrifizierung ist auch die riesige Kurbel obsolet geworden, mit der das Altarbild händisch herabgelassen wurde.

Vor 15 Jahren ist die Mysterienbühne zuletzt für 80 000 Mark restauriert worden. Als 2010 dem Holzwurm in der Stiftskirche zu Leibe gerückt wurde, erhielten auch die Kulissen und Figuren einen Borsalz-Anstrich. Auf der Rückseite der Kulissen sind im grob gezimmerten Holz die Fraßgänge der Larven des Gemeinen Nagekäfers geblieben. In seiner Historie hatte das Theatrum Sacrum immer wieder längere Spielpausen, was dem Erhaltungszustand der Bildwerke zu Gute kam, berichtet Kirchensteiner: "Nach 1770 wurde es im Sinne der Aufklärung sogar verboten." Im 19. Jahrhundert konnte das Mysterienspiel wieder aufgenommen werden. Natürlich bedauert der Pfarrer, dass er bei den Ostergottesdiensten auf die traditionsreichen Bühnenbilder verzichten muss. Doch in zwei Wochen werde das tonnenschwere Gerüst endgültig abgebaut: "Dann werden wir die Messe dort mit Sicherheit für die nächsten Jahrzehnte schadensfrei halten können."

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