Herrsching:Vom Leder gezogen

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Die Familie Belgardt stellt in ihrer Herrschinger Manufaktur seit 40 Jahren handgefertigte Gürtel her. Doch Konkurrenz aus Fernost und dem Internet bedroht das Unternehmen

Von Otto Fritscher, Herrsching

Dieser Betrieb ist wirklich schwer zu finden, obwohl er seit 34 Jahren am selben Fleck in Herrsching ist. Nur ein kleines Schild am Zaun weist auf die "Gürtel-Manufaktur" hin. Man fährt praktisch in den Wertstoffhof hinein, und dann nach rechts wieder hinaus. Und steht schließlich vor der etwa 400 Quadratmeter großen Halle des Familienbetriebs, den Manfred und Karin Belgardt mit ihrem Sohn Christian führen. Es riecht nach Leder, in den verschiedenen Räumen liegen große Rollen Rohleder, stehen Stanz- und Nähmaschinen, bis man schließlich im Verkaufsraum die Endprodukte sieht: Gürtel in allen Variationen, dazu eine kleine Auswahl an Handtauschen, Handy- und iPad-Hüllen, sowie Kultur- und Kosmetikbeutel - alles komplett handgefertigt von den drei Belgardts.

"Angefangen haben wir vor 40 Jahren in Maisach, in einem Kellerraum. Zuerst haben wir Pferdedecken genäht, weil der Großvater Sättel für Pferde gemacht, bei der bekannten Firma Kiefer in München-Daglfing", erzählt Karin Belgardt. "Dann war mein Mann einmal in München, wollte sich einen Gürtel kaufen, und die waren alle teuer - und so haben wir selbst angefangen, Gürtel zu fertigen." Das Leder und die Schließen kommen aus Italien, alles andere geschieht in der Halle im Herrschinger Gewerbegebiet.

Ruhig geht es zu, in der Werkstatt, aber auch im Verkaufsraum. "In Hochzeiten hatten wir mal 15 Angestellte", sagt Manfred Belgardt. "Das Umfeld ist schwierig geworden. Wir kämpfen zunehmend gegen Zalando, Amazon, H&M und vor allem die Billighersteller aus China. Von denen kriegen wir jeden Tag Angebote, aber wir wollen weiter in Herrsching selbst produzieren, und keine Massenware aus dem Container verkaufen." Kurz gesagt: "Die Geschäfte könnten besser laufen. Die Chinesen killen uns." Karin Belgardt sagt ebenso deftig: "Viele Geschäfte verkaufen ein Glumpzeug aus China, und schätzen die Handarbeit, die wir hier machen, nicht mehr." Auf den Leibriemen made in Herrsching steht aber nicht "Gürtel-Manufaktur" als Marke, sondern " Mabel", die Initialen des Seniorchefs Manfred Belgardt. Erhältlich sind die Gürtel in München bei Konen, Beck und Loden-Frey, im Landkreis Starnberg führt kein Geschäft "Mabel".

Wie soll es weitergehen mit dem kleinen Familienbetrieb? "Wir wollen immer mehr über unseren Online-Shop www.guertel-manufaktur.de verkaufen, die Gürtel direkt an den Endkunden ohne Zwischenhandel liefern", sagt Christian Belgardt. Wenn ein Gürtel im Internet bestellt wird, dauert es zwei, drei Tage, bis er geliefert wird - schließlich wird er eigens nach der Bestellung produziert. Die Preise liegen in der Regel zwischen 39 und 99 Euro. Gibt es eine Arbeitsteilung in der Familie? "Die Chefin macht Buchhaltung und Kantine, also kümmere ich mich um die Kaffeemaschine, ansonsten ist bei uns jeder Mädchen für alles", sagt Karin Belgardt und lacht.

Im Lager stapelt sich die Rohware, also Leder, in den verschiedensten Stärken und Farben. "Alles, was sich in 35 Jahren so angesammelt hat", sagt Manfred Belgardt. Apropos Farben: Bei den Herrengürteln sind 80 Prozent schwarz, braun oder blau, die Damen trauen sich mehr Farbenfrohheit zu. Der erste Arbeitsgang findet an der Stanzmaschine statt, wo die Grundform des Gürtels aus dem Leder gestanzt wird. Für unterschiedliche Formen, etwa komfortable Rundgürtel, braucht man spezielle Maschinen und Stanzeisen, die hier in der Werkstatt fast wie Kunstwerke an der Wand hängen. In den Gürtel kommt Spaltleder als Futter, um Geschmeidigkeit mit einer gewissen Steifheit zu vereinen. Bei Billigprodukten wird oft Kunststoff oder gar Pappendeckel als Futter verwendet. Dann werden - vereinfacht gesagt - die Löcher gestanzt, die Kanten gefärbt, "aufgeputzt", im Fachjargon, nochmals geglättet und dann zusammengeklebt oder genäht. "Bis ein Gürtel fertig ist, nehmen wir ihn ungefährt 30 Mal in die Hand", sagt Manfred Belgardt. Eine Bestellung umfasst meistens 20, 30 Stück. Aber auch Einzelstücke werden auf Wunsch angefertigt.

Eine Kundin kommt herein, sie schwärmt: "Diesem Gürtel merkst du nicht an, dass er mehr als zehn Jahre alt ist." Er habe keine Sprünge im Lack, die Löcher reißen nicht aus." Und: "Einen neuen Gürtel von den Belgardts braucht man erst, wenn man zunimmt", sagt sie und stöbert in der Kollektion. 4000 verschiedene Modelle sind in den vergangenen Jahrzehnten in der Gürtel-Manufaktur handgefertigt worden. "Die Damen sind die besten Kunden", sagt Manfred Belgardt. Zum Lagerverkauf, der werktäglich stattfindet, kommen auch die Herren der Schöpfung.

Der ungewöhnlichste Auftrag? Karin Belgardt denkt nach und nennt dann Peek und Cloppenburg, eine Bekleidungs-Kaufhaus. "Die wollten mal 6000 Exemplare auf einen Schlag." Lang ist's her. Oft geht es aber um Unikate. "Golfspieler, die in bunten Klamotten herumlaufen und den passenden Gürtel dazu wollen. Manche Männer bringen aber auch einen Anzug, um genau den passenden Farbton für den Gürtel zu finden", sagt Manfred Belgardt.

Er ist nun 72 Jahre alt, arbeitet seit Jahrzehnten mit Leder. Denkt er nicht einmal ans Aufhören? "Ich mache weiter, bis der Sohn soweit ist", sagt er und lacht herzhaft.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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