Herrsching:Viele Tränen

Frau erhält wegen Freiheitsberaubung 1200 Euro Geldstrafe

Von Armin Greune, Herrsching

Einen ganzen Tag lang war die 16-jährige Zeugin unterwegs, um vor dem Starnberger Amtsgericht auszusagen. Um 5.30 Uhr brach sie angeblich mit ihrer Mutter in Österreich auf - doch als sie endlich gegen 12 Uhr mit dreiviertelstündiger Verspätung zur Verhandlung eintraf, wurde sie postwendend wieder heimgeschickt. Die Angeklagte hatte inzwischen ihren Einspruch gegen den ihr auferlegten Strafbefehl auf die Höhe der Geldstrafe beschränkt - und damit die ihr vorgeworfene Tat eingeräumt. Auf die Vernehmung der Belastungszeugin konnte das Gericht dann also verzichten.

Der 39-Jährigen war zur Last gelegt worden, im Trennungsstreit mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten und dessen 16-Jähriger Tochter im Februar diesen Jahres zu weit gegangen zu sein. Nachdem das Paar gerade noch im Bad ihrer Herrschinger Wohnung intim gewesen war, hatte ihr der Mann eröffnet, in eine andere Frau verliebt zu sein. Es kam zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung, an der auch die jugendliche Tochter teilnahm. Dabei trugen sie und ihr Vater angeblich Kratzspuren am Hals und im Gesicht davon. Vor allem aber hielt die 39-Jährige die Tür ihrer Wohnung verschlossen und ihre beiden Gäste gefangen, bis die Polizei kam. Die 16-Jährige stellte Strafantrag; die Herrschingerin erhielt wegen Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung einen Strafbefehl über 60 Tagessätze à 30 Euro und legte nach Rücksprache mit ihrem Anwalt Einspruch ein.

In der daher anberaumten Hauptverhandlung kamen der Beschuldigten sofort die Tränen, als sie den Tathergang aus ihrer Sicht zu schildern versuchte. Alle Vorwürfe wären erlogen: Nicht sie sei gewalttätig geworden, sondern die 16-Jährige, die sie "fünf bis zehn Minuten lang an den Haaren gezogen" habe. Sie habe nur ihren Freund zur Rede stellen wollen und deshalb auch sein Handy versteckt. Als aber die Tochter ihres damaligen Freundes die Polizei anrief und sich als Opfer darstellte, versperrte die 39-Jährige ihre Wohnungstür und steckte den Schlüssel weg. Sie wollte nicht zulassen, dass die beiden ihre Wohnung verlassen, bevor die Beamten eintrafen, gab die Angeklagte als Motiv an.

Richterin Christine Conrad machte freilich klar, dass der Tatvorwurf der Freiheitsberaubung dennoch erfüllt sei. Sie riet der Angeklagten, den Einspruch auf die Tagessatzhöhe zu beschränken: Weil sie als alleinerziehende Mutter für den Unterhalt ihres Kindes aufkommen muss, wären 20 statt 30 Euro angemessen. Conrad wollte so auch verhindern, dass vor Gericht "der große Kampf" aufflammt: Es sei doch auch im Sinne der Angeklagten, wenn es nicht zur Konfrontation mit der 16-Jährigen käme. Die angeblich Geschädigte hatte bei der Polizei zu Protokoll gegeben, sie sei "stundenlang festgehalten und mit einem messerartigen Gegenstand bedroht" worden. Nach kurzer Beratung mit ihrem Anwalt nahm die Angeklagte den Vorschlag des Gerichts an. So wurden ihr zwar 600 Euro an Strafe nachgelassen - doch die ihr entstandenen Kosten für Anwalt, Hauptverhandlung und die weit gereiste Zeugin dürften diesen vermeintlichen Vorteil mehr als aufwiegen.

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