Herrsching:Sinnenfreudig und beschwingt

Herrsching Kirche St.Nikolaus, Konzert

Namhafte Solisten, der Projektchor der Pfarrgemeinschaft Ammersee Ost und das Ensemble Lodron brillieren mit Haydns "Stabat Mater".

(Foto: Georgine Treybal)

Anton Ludwig Pfell präsentiert das "Stabat Mater" von Joseph Haydn, und das Publikum ist begeistert

Von Reinhard Palmer, Herrsching

In Anbetracht der hohen Zahl an Werken, die sich mit der Passion Christi in direkter wie indirekter Weise befassen, schneidet der Konzertbetrieb recht bescheiden ab. Zu hören sind außer den Bach-Passionen nur sehr wenige davon. Dabei steht gerade das mittelalterliche Gedicht "Stabat Mater" den biblischen Texten, was Poesie und Glaubensinhalt betrifft, in nichts nach. Zweifelsohne gehört die Haydn-Variante zu den schönsten musikalischen Auslegungen dieser Poesie. Die Interpretation der Aufführung im Herrschinger St. Nikolaus erklang jedenfalls in lyrischer Schönheit und sinnenfreudiger Klangfülle.

Es ist die älteste vor allem in der Instrumentation großdimensionierte Vertonung des Gedichts, zudem Haydns erstes umfangreiches Vokalwerk überhaupt. Dass der 35-Jährige ohne Vorbilder einen derart sicheren Zugriff gänzlich in eigener Handschrift fand, spricht von der Intelligenz und Reife des Komponisten. Letzteres machte einerseits das Orchester Ensemble Lodron München vor allem durch das harmonische Fließen im komplexen Geflecht der Stimmen deutlich, während andererseits der Projektchor Pfarreiengemeinschaft Ammersee Ost vordringlich mit ausdrucksstarker Empfindsamkeit brillierte. Anton Ludwig Pfell am Pult vermochte mit einem überaus musikalischen Dirigat die beiden Klangkörper stimmig zusammenzuführen, sodass das Werk sowohl mit poetischer Schönheit wie mit fesselnder Erzählung überzeugte. Der Chor erwies sich als ein entscheidendes Element des Kolorits, der den Aussagen die adäquate Atmosphäre verlieh, zumal er hier mit viel Fingerspitzengefühl ins Geschehen eingriff.

Die Hauptrolle schrieb Haydn zweifelsohne den Solisten zu, deren Auswahl in Herrsching das Klangbild perfekt machte. Die hohen Tonlagen versah Haydn mit einer gewissen höfischen Eleganz, die von der Schlankheit und Leichtigkeit des Soprans von Anne Steffens und des Tenors von Robert Wörle profitierte. Für die klangvolle Melancholie der tiefen Stimmen sorgte in der Altrolle die Mezzosopranistin Alexandra Petersamer sowie in der Bassrolle der Bariton Torsten Frisch, die trotz plastischer Körperlichkeit ihrer Stimmen auch im Quartett eine klangliche Ausgewogenheit ermöglichten.

Schon in der leicht gedrückten, dennoch kraftvollen Einleitung steckte das Orchester behutsam die Grundstimmung ab, die der Chor sogleich in der ersten Strophe aufgriff, um mit energischer Pointierung erzählerische Akzente zu setzen.

Tatsächlich beinhaltet der Stabat-mater-Text bisweilen eher zwischen den Zeilen die gesamte Dramatik des Heilsgeschehens. Deutlich ausgesprochen das Martyrium Christi in Bass und Tenor des "Ach, für seiner Brüder Schulden / sah sie ihn die Marter dulden", das Frisch in kraftvoller Schuldzuweisung ansetzte und von Wörle in sprachdramaturgischer Diktion mit Spannung aufgeladen wurde. Die berührend lyrischen Momente oblagen den Frauenstimmen. Petersammer vermochte ihre Aufgabe der schönfarbigen Wärme und Plastizität mit wohlig fließender Melancholie zu erfüllen. Steffens griff die Lyrik ihrer Sopranarien mit Leichtigkeit und einer gewissen Beschwingtheit auf. Wirkungsvoll überzeugte das große Finale mit einer einmal mehr homogenen Verquickung der Solistenstimmen mit dem hymnisch steigernden Chor. Lang anhaltender begeisterter Applaus.

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