Konzert:Heiter und sinnlich

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Ein Programm mit Seltenheitswert boten die Musiker von "Lentia Consort" im Herrschinger Kurparschlösschen. (Foto: Georgine Treybal)

Die sonst oft düstere englische Renaissance-Musik klingt im Kurparkschlösschen ganz anders

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Kalte, ungemütliche Kirchenräume, in schummriges Licht getaucht, wo man diese Musik oft zu hören bekommt, verleihen ihr allzu sehr einen düsteren Charakter. Bei Tageslicht, im intimen Saal des Kurparkschlösschen hat sich dieses Konzert in historischer Aufführungspraxis am späten Sonntagnachmittag irgendwie sinnenfreudiger erwiesen. "I Heard a Voice from Heaven" mit Werken aus dem elisabethanischen Zeitalter der englischen Renaissance zeigte sich trotz der melancholischen Charakteristik überaus vital, bisweilen heiter beschwingt, auf alle Fälle als ein klangsinnliches Erlebnis.

Die zentrale Rolle - wohl nicht nur auf der Bühne - fiel der 1997 aus Kanada nach Österreich übersiedelten Claire Pottinger-Schmidt zu. Die Dozentin an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz und am Landeskonservatorium in Graz, ferner künstlerische Leiterin der Accademia dell'Arcadia Wien ist eine umtriebige Musikerin und eine Koryphäe in Sachen Alte Musik. Und sie brachte als Dozentin einige hervorragende Barockcellisten und Gambisten hervor: Darunter Georg Kroneis und Christoph Prendl, die zusammen mit Pottinger-Schmidt das mit Gamben in allen Stimmlagen ausgestattete Lentia Consort bilden.

Das Besondere des Programms lag nicht nur im absoluten Seltenheitswert der interpretierten Werke, sondern auch in der Gruppierung von zwei und mehr Stücken zu einem gemeinsamen Kontext, der jeweils einen emotionalen Bogen nachzeichnete. Das Konzert mit einer Pavane von Henry VIII, dem König aus der Tudor-Familie, zu beginnen, war gut durchdacht. Er war der erste englische Renaissance-Herrscher, der eine breit gefächerte humanistische Bildung besaß und selbst auch Komponist war. In seiner Zeit trat auch die Gambe in England ihren Siegeszug an, der dem Instrument eine reichhaltige Musikliteratur in den nachfolgenden zwei Jahrhunderten bescheren sollte. So erklangen in Herrsching Werke von William Byrd, Peter Philips, Elway Bevin, Henry Purcell, Orlando Gibbons, John Jenkins, Thomas Tomkins, John Playford, Thomas Morles, Metthew Locke, John Hingston, Theodor Schwartzkopff und anderer.

Pottinger-Schmidt, die auch Improvisation lehrt, interessierte allerdings vor allem die Musik, die im Grunde nicht hätte notiert werden dürfen. Fantasien standen also hier im Fokus, die als Gattung der improvisierten Musik entsprungen sind und hier auch noch Freiraum zur Ausgestaltung boten. Aber auch Tänze und sakrale Werke gesellten sich diesem ausschweifenden und rhapsodisch reichhaltigen Genre zu. Und schon aus den diversen Tonhöhenlagen der Instrumente - von der Diskantgambe über Alt- und Tenorgambe bis hin zur Bassgambe - resultierte im Kolorit ein Kontrastprogramm, das im Kurparkschlösschen spieltechnisch eine ebenso überaus plastische Differenzierung erfuhr.

Demgegenüber lieferten die Kompositionen an sich bereits eine schier unerschöpfliche Vielfalt in der Behandlung des polyphonen Satzes: Stimmen mäanderten weit wogend eng umeinander, schritten in Akkorden bedächtig voran, rieben sich beschwingt rhythmisiert aneinander oder sangen lyrisch ausschweifend begleitete Lieder. Ein überaus spannendes Element dieser Musik waren die Rhythmen, die so gegen unseren heutigen Puls gebürstet sind, dass sich selbst die renommierten Musiker vom Lentia Consort in Byrds "Fantasia" erst beim dritten Versuch durch das rhythmische Gewirr durchwühlen konnten. Eine Zugabe entließ die Zuhörer mit kraftvoller Rhythmik und rasanter Virtuosität.

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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