Konzert in Herrsching:Emotionen verbinden

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Begeistert das Publikum in der Landwirtschaftsschule in Herrsching: Das Ensemble Academy of Taiwan Strings. (Foto: Nila Thiel)

Die Academy of Taiwan Strings spielt unter der Leitung von Grzegorz Kotów bei der Ammerseerenade in Herrsching. Und das Publikum ist hingerissen

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Ein Konzert am Montag bei bestem Biergartenwetter hat von Haus aus mit keinem großen Zulauf zu rechnen. Insofern musste man schon zufrieden sein, dass der große Saal im Herrschinger Haus der Bayerischen Landwirtschaft zu einem guten Drittel gefüllt war. Die Ammerseerenade hat offenbar eine treue Anhängerschaft, die um den See mitzieht. Das Programm ließ trotz namhafter Musiker doch eher bangen, ist Streichermusik des 18. und 19. Jahrhunderts nicht gerade leicht mit Schlagwerk des 20. und 21. Jahrhunderts kompatibel. Als Vereinsvorsitzende Doris M. Pospischil auch noch eine Hommage an den Rock-Pop-Komponisten und -Pianisten sowie Produzenten Eric Woolfson (1945 - 2009) zum 70. Geburtstag mit Video-Einspielung und Vita-Vortrag einflocht, war der Gemischtwarenhandel nicht mehr fern. Und das war sehr schade insofern, da alle Protagonisten doch in ihrem Genre herausragend waren. Woolfsons Songs und Musicals waren einst sehr erfolgreich. Er schrieb als Produzent der Rolling Stones und Miterfinder von The Alan Parsons Project zweifelsohne Rock- und Popgeschichte. Doch für letztere von Woolfson komponierte Titel wie "Eye in the Sky", von Streichern vorgetragen, enthüllte in Gesellschaft von Meisterwerken der E-Literatur nur die Simplizität des Genres und ließ die Musik weit blasser erscheinen, als man sie von den großen Rockbühnen her in Erinnerung hat.

Nur ein Punkt hielt das Programm zusammen: die Emotionalität. Sowohl der Werke wie in der Hingabe der Ausführung. Fügt man hinzu, dass die Academy of Taiwan Strings, das junge Kammerorchester, vom Geiger des renommierten Szymanowski Quartetts, Grzegorz Kotów, geleitet wird, so ist schon eine gewisse Qualität umschrieben. Letztendlich hörte man hier ein Streichquintett, das in der Lage war, in den elegischen Weiten der Skandinavier melodischen Fluss in symphonischer Breite auszugießen. Andererseits aber auch folkloristische Leichtigkeit und Heiterkeit luftig auszukosten. Bei Haydn indes profitierten vor allem die beschwingte Verve sowie der galante Impetus von der Feinsinnigkeit des Zugriffs.

Um einen allzu heftigen Bruch im Programm zu vermeiden, studierte die Academy of Taiwan Strings mit dem jungen Schlagwerker aus Essen, Alexej Gerassimez, den mittleren Satz des Konzerts für Marimbaphone Nr. 1 von 2005 von Emmanuel Séjourné (geb. 1961) ein. Mit der effektvollen und im Solopart virtuosen Komposition des Franzosen, der auch auf Elemente der populären Kultur zurückgegriffen hat, gelang den Musikern eine geschickte Überleitung. Im weiteren Schlagwerkprogramm setzte sich allerdings die Kammermusik fort, der Gerassimez nicht weniger Einfühlsamkeit angedeihen ließ. Zunächst auf die Möglichkeiten einer Snare-Drum in der Eigenkomposition "Asventuras" beschränkt, was auf den Kosmos der Geräusche gut einstimmte. Sein Tremolostück "Eravie" für Marimba brachte eine meditative Note ins Programm. Schlagwerk schließt aber auch einen performativen Aspekt ein, den Gerassimez mit einer indio-kultisch inspirierten Komposition des Mexikaners Javier Álvarez Fuentes "Tamazcal" für Elektronik-Zuspiel und Maracas (Rumba-Rasseln) von 1984 beeindruckend zelebrierte. Erst das Finale mit "Rebonds" von Iannis Xenakis sollte mit Trommeln, Conga und Wood-blocks die enormen Möglichkeiten in diesem Fach zumindest andeuten, geht es in dieser Komposition nicht nur um strukturelle, sondern auch um kontrastreiche Klangqualitäten. Frenetische Begeisterung im Publikum.

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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