Herrsching:Ein Leben ohne Gewalt

Herrsching,  Frauen helfen Frauen

Diese Frauen helfen Frauen: Claudia Sroka (v. li.), Christel Schief, Cordula Trapp, Ursula Galli, Dorothea Föppl, Annette Hilbert und Verena Spitzer.

(Foto: Treybal)

Der Verein Frauen helfen Frauen bezieht neue Räume und zieht Bilanz

Von Patrizia Steipe, Herrsching

So schlimm die Vorfälle in der Kölner Silvesternacht auch gewesen sein mögen - wenigstens habe dadurch das Thema "sexualisierte Gewalt gegen Frauen" öffentliches Gehör bekommen. Das erklärte Verena Spitzer, Vorstandsmitglied des Vereins "Frauen helfen Frauen", bei der Einweihungsfeier der neuen Beratungsräume. Wegen Eigenbedarfs musste der Verein in Herrsching ein Haus weiter und somit in den ersten Stock der Mühlfelder Straße 12 ziehen. Barrierefrei sind die Räume nicht mehr. Um mobilitätseingeschränkte Frauen trotzdem beraten zu können, sollen in solchen Fällen die Räume der Herrschinger Insel in der Bahnhofstraße genutzt werden.

Im 27. Jahr seines Bestehens ist der Frauenverein immer noch notwendig. Einer Studie zufolge hätten 58 Prozent der Frauen mindestens einmal die Erfahrung sexueller Belästigung gemacht, berichtete Spitzer. Auch wenn die Übergriffe im öffentlichen Raum ein empörtes Medienecho ausgelöst haben, statistisch gesehen findet sexuelle Gewalt viel häufiger im häuslichen Umfeld statt. Trotzdem gibt es eine Parallele: "Priestern, Sportlehrern, Trainern, Chefs und anderen, die missbrauchen, demütigen, übergriffig sind oder Frauen sexuell belästigen, ist sehr viel gemein: Sie wollen Macht ausüben, diese spüren, andere dominieren, demütigen und verletzen. Ob in Ägypten oder Deutschland", so Spitzer. Ein Schwerpunkt der Arbeit von "Frauen helfen Frauen" ist deswegen Prävention. In Seminaren an Schulen oder Kursen sollen Frauen stark und selbstbewusst gemacht werden. Dann schafften sie es leichter aus einer gewaltvollen Beziehung auszubrechen, hoffen die Vereinsfrauen. "Misshandelte Frauen kehren im Durchschnitt siebenmal wieder in ihre Beziehung zurück", wusste Gleichstellungsbeauftragte im Landratsamt Sophie von Wiedersperg. "Die Begleitung und fachliche Unterstützung von Frauen helfen Frauen ist deswegen so wichtig." Oberkommissar Dieter Darnhofer, der bei der Herrschinger Polizei für den Bereich häusliche Gewalt zuständig ist, ist ebenfalls dankbar, dass es den Verein gibt. Immer wieder werden von der Polizei Frauen, die damit einverstanden waren, an den Verein weitergeleitet.

"Manche Frauen geben sich die Mitschuld dafür, wenn sie von ihren Partnern geschlagen wurden", so Darnhofer. Andere würden sich aus Scham, aus Angst oder weil sie mit Kindern unter Druck gesetzt wurden, nicht trauen, aus ihrer Situation auszubrechen. Für Spitzer ist das kein Wunder, jahrzehntelang wäre es äußerst schwierig gewesen sich öffentlich zu sexualisierter Gewalt zu äußern. "Frauen kennen es, dass ihre Erfahrungen lächerlich gemacht wurden, verharmlost wurden. Dass sie als zu sensibel oder hysterisch bezeichnet werden". In der Frauenberatungsstelle werden die Erfahrungen und Sorgen der Klientinnen ernst genommen. "Jeder Frau hat das Recht auf ein Leben ohne Bedrohung, Angst und Gewalt", so lautet das Leitmotiv. Auch wenn sich die Fallzahlen in all den Jahren nicht wesentlich verringert haben, eines ist anders. Vor 27 Jahren mussten die Frauen die Adresse der Beratungsstelle aus Angst vor wütenden Ehemännern oder Partnern geheim halten.

Zuerst war das Büro im Glockenturm der evangelischen Kirche untergebracht. Dann hatte die verstorbene Mitbegründerin des Vereins, Traudl Wischnewski, ein Zimmer in ihrer Privatwohnung zur Verfügung gestellt. Abfällige Bemerkungen von Kommunalpolitikern waren damals an der Tagesordnung. "Das würde sich heute keiner mehr erlauben", glaubt Wiedersperg. Der ehrenamtlich betriebene 24-Stunden-Notruf soll mittelfristig eingestellt werden. Seit vor zwei Jahren der Frauennotruf unter 08000116016 eingerichtet wurde, wird der lokale Notruf kaum noch benötigt, so Dorothea Föppl vom Vorstand.

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