Herrsching:Der Feind im eigenen Haus

Herrsching: Frauen helfen Frauen Starnberg e.V.

Misshandelte oder missbrauchte Frauen finden Hilfe bei Claudia Sroka (links) und Cordula Trapp vom Verein "Frauen helfen Frauen Starnberg".

(Foto: Nila Thiel)

Auch im wohlhabenden Fünfseenland leiden Frauen unter gewalttätigen Männern. Cordula Trapp und Claudia Sroka vom Verein "Frauen helfen Frauen" kümmern sich um Klientinnen aus allen Gesellschaftsschichten

Von Christine Setzwein, Herrsching

Gewalt in der Ehe oder Partnerschaft passiert selten aus heiterem Himmel. Zwei Menschen verlieben sich, sind überglücklich. Eine Zeitlang. Dann die erste kränkende Bemerkung des Mannes. Er macht die Frau klein, demütigt sie immer öfter, immer heftiger, bis es schließlich zu den ersten Schlägen kommt. Der Mann tut zerknirscht, bittet um Verzeihung, verspricht, er würde es nie wieder tun. Eine Zeitlang geht es gut, bis das Ganze von vorne beginnt.

"Es ist eine Spirale der Gewalt, die sich wieder und wieder und immer schneller dreht", sagt Cordula Trapp. Sie weiß, wovon sie spricht. Trapp, 38, und Claudia Sroka, 46, arbeiten beim Verein "Frauen helfen Frauen Starnberg", Notruf, Beratung und Interventionsstelle haben ihren Sitz in Herrsching. Die beiden Diplom-Sozialpädagoginnen und Traumaberaterinnen sind die Ansprechpartnerinnen für Frauen, die die psychische und physische häusliche Gewalt nicht mehr ertragen.

"Der Druck bei einer Frau muss schon sehr groß sein, wenn sie zu uns kommt", sagt Trapp. Eine Gewaltbeziehung dauere durchschnittlich sieben Jahre. "Die Gewalt wird Teil des Alltags, das Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen des Opfers sinkt, es isoliert sich."

Frauen werden unterdrückt, bedroht, verfolgt, geschlagen, missbraucht und vergewaltigt, und das nicht erst seit der Silvesternacht in Köln. Bundesweit wird jede siebte Frau einmal in ihrem Leben Opfer schwerer sexueller Gewalt und jede zweite Opfer von sexueller Belästigung. In der Wohnung, am Arbeitsplatz, in Vereinen, auf Partys. Nur fünf bis zehn Prozent der Delikte werden angezeigt, sagt Trapp. Damit ist die Angelegenheit noch lange nicht erledigt. Für viele Frauen beginnt nun erst ein Spießrutenlauf. Familie und Freunde glauben dem Opfer oft nicht, geben der Frau die Schuld. Frauen scheuen die Anzeige - oder ziehen sie zurück -, weil der Mann damit droht, er werde ihr, dem Kind oder sich etwas antun, weil es doch auch schöne Zeiten gegeben habe "und ich ihm nicht schaden will". Das hören Trapp und Sroka oft.

Gut 150 Personen haben 2014 - die Zahlen für 2015 liegen noch nicht vor - Rat und Hilfe beim Frauenverein in Herrsching gesucht. Es waren 128 Frauen im Alter über 18, davon 25 mit Migrationshintergrund, zwölf Männer und 15 Angehörige. Auch im wohlhabenden Landkreis Starnberg leiden Frauen unter gewalttätigen Männern. "Wir haben Klientinnen aus allen Schichten", erklärt Claudia Sroka. Aber zwei Risikogruppen hätten sich herauskristallisiert: junge Frauen aus sozial problematischen Schichten und Frauen mittleren Alters in wohlhabenden, gebildeten Haushalten. Besonders perfide: sexuelle Gewalt an behinderten Mädchen und Frauen.

Trapp und Sroka beraten am Telefon und im persönlichen Gespräch, sie begleiten die Opfer zur Polizei, zu Behörden und Gericht. Der Verein ist gut vernetzt. Beste Kontakte gibt es zum Frauenhaus Murnau, zur Gleichstellungsstelle im Landratsamt, zum Jugendamt, zur Herrschinger und Gautinger Insel, zur Polizei, zum Verband Wohnen, zum Jobcenter und Ausländeramt und zu vielen anderen Einrichtungen.

Den Frauen kann geholfen werden, wenn sie sich helfen lassen. "Man freut sich schon, wenn was geklappt hat", sagt Sroka. Manchmal sind die psychischen und körperlichen Verletzungen der Frauen so schlimm, dass sie auch an den Helferinnen nicht spurlos vorübergehen. "Schwere Fälle nimmt man schon mal mit nach Hause", meint Sroka. Supervisionen sind für die zwei Mitarbeiterinnen deshalb sehr wichtig. Die Beratung ist kostenlos. Finanziert wird der Verein durch Zuschüsse der Gemeinden und des Landkreises, Mitgliedsbeiträge, Spenden, und manchmal werden ihm Bußgelder zugesprochen.

Vertraulichkeit, der Schutz und die Sicherheit der Betroffenen steht an erster Stelle bei der Beratung. Trotzdem braucht der Frauenverein auch manchmal Öffentlichkeit. Damit Kommunen, Mitglieder und Spender sehen, wofür sie Geld ausgeben, und Frauen und Mädchen erfahren, wo sie Hilfe erhalten. Und weil die Geschäftsstelle erst kürzlich umgezogen ist, gibt es am Mittwoch, 3. Februar, von 17 bis 20 Uhr einen Tag der offenen Tür.

"Frauen helfen Frauen Starnberg", Mühlfelder Straße 12, Herrsching, Telefon 08152/ 57 20, info@frauenhelfenfrauen-sta.de, www.frauenhelfenfrauen-sta.de

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